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Das Ende einer Leidenszeit: Der Pfaffenhofener Raphael Wolf wird Werder Bremen verlassen

29.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:02 Uhr
Plötzlich auf der Bank: Ab April 2015, ausgerechnet ab dem Derby zwischen dem Werder Bremen und dem Hamburger SV, machte Raphael Wolf kein Spiel mehr für die Bremer.Insgesamt 48 Mal hatte der Pfaffenhofener zuvor für die Hanseaten das Tor gehütet. Anschli −Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Pfaffenhofen/Bremen (PK) Er war über Jahre mittendrin im Geschäft der Fußball-Bundesliga. Doch eine Verletzung an der Hüfte setzte Raphael Wolf außer Gefecht und kostete ihm dann sogar seinen Stammplatz. Der Pfaffenhofener hat seit fast zwei Jahren kein Spiel mehr bestritten und wird den SV Werder Bremen am Saisonende verlassen.

Verletzungen gehören im Fußball dazu. Dem ist sich wohl jeder Spieler bewusst. Und trotzdem ist eine solche Pause nie einfach. Hilflos zusehen, wie die Kollegen Woche für Woche um Punkte kämpfen, ist für viele eine Qual. Vor allem, wenn es - wie im Fall von Raphael Wolf - nicht nur Wochen oder ein paar Monate, sondern gleich länger als ein Jahr dauert. Von Mitte 2015 bis Juli 2016 machte Wolfs Hüfte ihm einen Strich durch die Rechnung. Wolf allerdings nimmt das Ganze ruhig, fast schon gelassen. "Eine Verletzung kann halt passieren. Und als Torwart ist es eben, wie es ist. Da kannst du nicht ein- und ausgewechselt werden", sagt er und fügt an: "Wenn du so schwer verletzt bist, bist du erst einmal draußen und kommst so schnell dann auch nicht wieder rein ins Tor. Es kann ja nur einer spielen. Ich bin nicht der Erste, dem es so geht." Umso ärgerlicher, dass die Verletzung aufbrach, als Wolf endlich Stammtorhüter in Bremen geworden war. In einer Zeit, als es rund um die Weser viel Diskussionsstoff um die Torwartposition gab. Doch trotz eines schwierigen Starts durfte Wolf insgesamt 48 Mal zwischen den Bremer Pfosten stehen. Bis zum Derby gegen den Hamburger SV. "Das geschah nach Absprache, ich hatte da schon Probleme mit der Hüfte." Im Sommer 2015 ließ er sich dann operieren, absolvierte zu Saisonbeginn 2015/16 zwei Spiele für die U 23. "Die Belastung habe ich leider nicht vertragen. Ich hätte mehr Zeit gebraucht, die Beschwerden kamen zurück", erinnert sich der heute 28-Jährige. Erst mit einer weiteren Operation in einer Münchner Klinik bekam er die Hüftprobleme in den Griff: "Erst da hat man erkannt, dass die Sehne aufgeraut ist und etwas entfernt werden muss", sagt Wolf und fügt an: "Das ärgert mich dann doch. Ich hätte mir eine Operation und viel Zeit sparen können. Aber hätte, wäre, wenn - das ist alles vergessen. Ich bin froh, dass keine OP mehr ansteht."

Seitdem ist er beschwerdefrei, das Ganze ist etwa ein Jahr her. Die Vorbereitung auf die aktuelle Saison konnte Wolf komplett absolvieren. Werder-Geschäftsführer Frank Baumann degradierte ihn dennoch zur Nummer vier. Hinter Felix Wiedwald, Jaroslav Drobny und Michael Zetterer. "Ich habe mich nicht verstecken müssen, habe es nicht verstanden. Auch viele Mitspieler waren damals verwundert", erklärt Wolf. Damals habe es auch Gespräche mit anderen Bundesligisten gegeben, geklappt hat es aber nicht. Wolf hat dennoch die Hoffnung auf Einsätze während der Saison nie aufgegeben: "Drobny und Wiedwald haben sich in der Vorrunde abgewechselt, es war viel los auf der Position. Deswegen habe ich auf meine Chance gewartet." Die Chance kam nicht, Wolf saß nicht einmal mehr auf der Bank der Werderaner.

"Ich habe dann angefragt, ob ich wenigstens bei den Amateuren Spielpraxis sammeln dürfe", meint Wolf. Doch auch da kam er nicht zum Zug, in der Winterpause war er weder im Trainingslager der Profis noch im Camp der U 23 mit dabei. "Von mir aus gab es nie Probleme. Frank Baumann hat es ja auch gesagt, dass ich mich charakterlich immer gut verhalten habe." Am Ende, so Wolf, sei das eben das Geschäft: "Es ist schnelllebig. Natürlich ist es nicht schön, dass es mich trifft."

Ein Wechsel, wie er von außen betrachtet in dieser Situation wohl zu erwarten gewesen wäre, kam für ihn nicht in Frage: "Es ist immer schwierig im Winter. Ich habe aber auch keinen Handlungsbedarf gesehen." Nun aber läuft Wolfs Vertrag aus, eine Verlängerung ist ausgeschlossen. "Von Seiten des Vereins ist es so entschieden worden, ich dränge mich nicht auf", erklärt Wolf.

Der Pfaffenhofener bestätigt, dass es schon Gespräche mit anderen Vereinen aus Deutschland, aber auch dem Ausland gebe, mehr könne er nicht sagen. "Am Ende zählt, was ich unterschreibe", sagt der Familienvater. Die Familie, das sei für ihn das wichtigste. Schon jetzt stehe fest, dass er sich mit Frau und Sohn nach der Karriere in Hamburg niederlassen wolle. "Aber jetzt geht es mir darum, wieder Fußball zu spielen. Ich habe Spaß, ohne Schmerzen zu spielen, und freue mich auf jedes einzelne Training."

Zurückkehren nach Pfaffenhofen wird Wolf, der an der Ilm aufgewachsen ist, nicht. Zumindest nicht dauerhaft, sondern höchstens zu Besuch: "Der Zug nach Bayern geht ja oft", meint er schmunzelnd. Schließlich studiert auch sein Bruder in München, wo zudem einer der besten Freunde arbeitet. Dieser helfe ihm auch schon, an einer Karriere nach der Karriere zu arbeiten. Eine beratende Tätigkeit, ob als Finanz- und Anlagenberater oder in Sachen Immobilien, Wolf hat sich schon weitergebildet und erkundigt. "Ich hatte ja genug Zeit", erzählt er lachend. Seinen Humor hat er nicht verloren.

Bis es aber so weit ist und bis er sich im Sommer einem neuen Verein anschließt, trägt er weiter die Werder-Raute auf der Brust, zumindest im Training. Die starke Rückrunde beeindruckt auch ihn: "Der Lauf, den sie hingelegt haben, ist Wahnsinn." Er spricht nicht von uns, sondern von denen. An dieser Stelle des Gesprächs ist dann doch zu spüren: Wolf ist kein Teil des Bremer Kaders mehr. Damit scheint er abgeschlossen zu haben. Eine Parallele zieht er aber noch: "Man sieht ja daran gut, wie intensiv, wie schnell alles geht. Man darf niemanden abschreiben im Sport. Man muss ruhig an sich arbeiten und weiter an sich glauben." Er selbst, das macht er deutlich, tut das.