Ingolstadt
Der Kümmerer

Marcel Hagmann führt die U 23 des FC Ingolstadt als Kapitän an – In der Stadt betreibt er eine Salatbar

29.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:51 Uhr

Kopf der Ingolstädter Reserve: Marcel Hagmann hat eine bewegte Karriere als Fußballer hinter sich. Auch wenn es zum Durchbruch als Profi nicht gereicht hat, ist der Gießener zufrieden. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Eine Geschichte aus dem Mai dieses Jahres beschreibt den Menschen Marcel Hagmann vielleicht besser, als es 200 Zeilen können. Die U-17-Junioren des FC Ingolstadt, für dessen U 23 der 30-Jährige aus Gießen in der Fußball-Regionalliga Bayern die Stiefel schnürt, stecken mitten im Bundesliga-Aufstiegskampf.

Der Innenverteidiger, mit Unterbrechung mittlerweile in der siebten Spielzeit bei den Donaustädtern, zögert nicht lange: Er trommelt mit einem Funktionär Spieler und Klub-Urgesteine zusammen. Sie überraschen den Nachwuchs mit einem Motivationsvideo mit persönlichen Botschaften. „Eine tolle Sache“, sagt der damalige U-17-Trainer Tommy Stipic. „Wir haben danach den Aufstieg klargemacht.“

Hagmann sei einer, der Verantwortung übernimmt, findet der Kroate, ein Kümmerer. Deshalb hat er ihn auch zum Kapitän der U 23 gemacht, die Stipic im Sommer übernommen hat. „Er bringt alles mit, was ich mir von einem Führungsspieler erwarte: Er ist intelligent, kann viel an die Jungs weitergeben, bescheiden, ein kommunikativer Typ“, lobt der 33-Jährige.

In Ingolstadt ist Hagmann der Älteste auf dem Rasen. Mit Abstand. 18, 19, 20 sind die anderen. Einer 23, Hagmann 30. Der Abwehrchef gestikuliert, erklärt. „Es macht Spaß mit den Jungs“, sagt Hagmann. Er versteht sich trotz des Altersunterschiedes mit den Teamkollegen, liegt mit ihnen auf einer Wellenlänge. „Außer vielleicht bei der Kabinenmusik. Mit Bushido kann ich nicht so viel anfangen. Aber da muss ich mich der Mehrheit beugen“, sagt er grinsend.

Der junge Marcel Hagmann hätte sich auf seiner ersten Station im Seniorenbereich auch einen „Alten“ gewünscht, der ihn an die Hand nimmt. 2002 geht es von der Jugend Eintracht Frankfurts zum 1. FC Saarbrücken. „Es war das erste Mal, dass ich gemerkt habe: ,Hoppla, das ist jetzt nicht mehr nur Kicken mit Freunden.’“ Der Spaß am Fußball ist weg. Zu alldem kommt auch noch ein Mittelfußbruch.

Hagmann zieht nach Hamburg. Studium der Sportwissenschaften, das er über die Jahre trotz diverser Transfers nicht aus den Augen verliert und später als Sportmanager in Oldenburg abschließt. Er hält sich beim FC St. Pauli fit. Dort lernt er Franz Gerber und den heutigen Geschäftsführer des FC 04 kennen, Harald Gärtner. Über Arminia Hannover und den SV Wilhelmshaven geht es schließlich nach Oberbayern zum FC Ingolstadt 04.

Die Mission ist, mit dem neuen Kader, dem Ex-Profis wie Andreas „Zecke“ Neuendorf oder Heiko Gerber angehören, die Quali für die neu geschaffene „Dritte Liga“. Dazu reichen Platz drei bis zehn in der Regionalliga Süd 2007/08. Der „eingeschworene Haufen, der auch neben dem Fußball total viel Zeit miteinander verbringt“ (Hagmann), toppt alle Erwartungen: Unter dem im Winter engagierten Trainer Thorsten Fink werden die Schanzer Zweiter und steigen in die zweite Bundesliga auf. Im ESV-Stadion zwischen Bahnhofsviertel und Ringsee hat Hagmann den Höhepunkt seiner Laufbahn erlebt – rein statistisch gesehen: 104 seiner insgesamt 194 Zweitliga-Minuten hat er auf diesem Rasen verbracht.

Mehr als diese drei mageren Einsätze, davon zwei von Beginn an, werden es nicht. Denn Fink setzt nicht auf ihn. Hagmann, damals noch auf der „Sechs“ beheimatet, ist ihm zu defensiv orientiert. „Er hatte eine klare Vorstellung von seinem System, ich habe nicht reingepasst. Das nehme ich ihm nicht persönlich.“ Bemerkenswert ist, dass es in den drei Partien mit Hagmann kein Gegentor gab. In den anderen sind es im Schnitt gute 1,7. Zu viel. Die „Schanzer“ steigen direkt wieder ab.

Diese Saison markiert einen Einschnitt im Leben des Marcel Hagmann. Gemeinsam mit seinen Kumpels Tobias Voigt und Ingo Hofmann eröffnet er eine Filiale der Salatbar „Tom&Sally’s“ in Ingolstadt. Seit Jahresbeginn betreibt er sie in Eigenregie als „Salatkind“. Verantwortung liegt Hagmann. „Hagi wäre ein guter Trainer“, findet Stipic. Will er das überhaupt? „Irgendwann mal, bestimmt“, sagt Hagmann. „Aber nicht im Profibereich. Eher bei Kindern oder Jugendlichen. Das kann in zwei Jahren sein, das kann aber auch erst mit 50 sein.“

Er wirkt wie einer, der mit sich selbst im Reinen ist. „Egal bei welchem Verein ich war, zu irgendeinem Menschen, der die Zeit mit mir dort geteilt hat, pflege ich heute noch eine Freundschaft.“ Wenn er Ingolstadt irgendwann einmal verlassen sollte, wird das auch so sein. Und das liegt vielleicht auch ein bisschen daran, dass er sich im Mai die Zeit genommen hat, sich für einen Haufen 15- und 16-Jähriger vor eine Videokamera zu stellen.