Auf dem Weg zum Profi

24.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:35 Uhr

Foto: Uwe Reese

Patrick Haller legt den Anzug ab und schlüpft in das Radsport-Outfit: Der Ingolstädter hat seine Banklehre abgeschlossen und konzentriert sich von nun an auf seine Radsportkarriere. Die Saison beginnt jetzt mit den Rennen am 1. und 4. März, der Trofej Umag und der Trofej Porec (Kroatien). Ein Porträt über ein hoffnungsvolles Talent.

A wie Ausbildung Ende Januar beendete Haller seine zweieinhalbjährige Ausbildung als Bankkaufmann bei der Commerzbank Ingolstadt. "Ich habe mit der Gesamtnote ,gut €˜ bestanden", sagt er. Haller hatte sich 2014 beim Olympiastützpunkt für die Ausbildung beworben und erhielt die Zusage. So konnte sich der Ingolstädter sportlich weiterentwickeln, weil er für Wettkämpfe und Trainingslager freigestellt wurde.

 

B wie Bundeswehr Ab 1. Juli tritt Haller in die Bundeswehr als Sportsoldat ein. Im Herbst wird er die Grundausbildung ableisten, anschließend in Todtnau im Schwarzwald stationiert sein. "Als Sportsoldat kann ich mich dann ganz auf das Radfahren konzentrieren", sagt Haller.

 

C wie Cappuccino Café und Radsport sind eng miteinander verbunden. "Ich vermute, dass fast jeder Radprofi zu Hause eine gute Siebträgermaschine stehen hat", sagt Haller. "Da ich ein großer Kaffeeliebhaber bin, muss ein Kaffeestopp immer sein." Auf dem spanischen Festland wird bei ihm Café Cortado serviert, in Deutschland oder auf Mallorca meist Cappuccino.

 

D wie Durchbruch 2016 fuhr Haller beim Team rad-net Rose sein erstes Jahr bei den U 23. Aus dieser Klasse wechseln die Besten in ein WorldTour-Team. Drei Jahre hat der 19-Jährige nun noch Zeit, sich für eines dieser 18 Teams zu empfehlen. Der Fahrplan dafür steht: "Vergangene Saison musste ich viele Helferdienste leisten. In diesem Jahr will ich nun auch eigene Ergebnisse einfahren", sagt Haller. "Im dritten Jahr will ich dann so fahren, dass die Teams auf mich aufmerksam werden."

 

E wie Egoismus Haller ist bei rad-net Rose als Teamplayer geschätzt. Durch seine Helferdienste feierte im vergangenen Jahr beispielsweise Sprinter Pascal Ackermann einige Siege und empfahl sich so für ein World-Tour-Team. Anders sieht es bei der Konkurrenz aus. "Bei Rennen, bei denen ich Kapitän bin oder kein Teamkollege diese Rolle innehat, muss man auf sich selber schauen", sagte Haller. "Um sich da durchzusetzen, braucht man eine Portion Egoismus."

 

F wie Freundin Seit Ende September ist Haller mit Isabella zusammen. Die 16-Jährige wohnt in München. "Im Herbst war sie erstmals bei einem Rennen mit mir vor Ort", erzählt er. Isabella fährt selbst Rennrad beim RSV Irschenberg. "Diese gemeinsame Basis ist wichtig", sagt Haller. "Und eine Kaffeerunde können wir auch zusammen fahren."

 

G wie Grundlagentraining Über den Winter trainieren die Radsportler verstärkt im Grundlagenbereich. "Wir fahren da lang und ruhig", sagt Haller. Zwischen drei und sieben Stunden am Stück sitzt er dann im Sattel. "Mein Puls bewegt sich da bei rund 130 Schlägen pro Minute." Das Grundlagentraining wird reduziert, je näher die Rennen rücken. "Dann trainieren wir intensiver oder auch einmal ganz ruhig, um sich zu regenerieren", sagt Haller.

 

H wie Hobbys Der Radsport nimmt viel Zeit bei Haller in Anspruch. Was treibt der 19-Jährige in seiner Freizeit? "Einfach mal chillen oder in der Stadt etwas essen gehen", erzählt Haller. "Oder ich trinke mit meiner Freundin einen Kaffee."

 

I wie Internet Eine eigene Internetseite hat Haller noch nicht. "Allerdings prüfe ich gerade, was dafür notwendig ist", sagt er. In den sozialen Medien ist er aktiv. "Auf Instagram stelle ich Fotos von den Rennen online und schreibe etwas dazu. Bei Facebook bin ich nur privat vertreten", erzählt Haller.

 

J wie Jahre (im Radsport) Im Alter von neun Jahren fuhr Haller sein erstes Rennen. "Mein erstes Rennrad war komplett in Orange, mit 24-Zoll-Rädern, hatte eine Rahmenschaltung und war aus Stahl", erinnert er sich. Beim ersten Rennen wurde er damit aber trotzdem auf Anhieb Zweiter.

 

K wie Konkurrenten International kommt die starke Konkurrenz aus Belgien, den Niederlagen und den USA. "Inzwischen kenne ich die großen Teams und weiß deshalb die Fahrer einzuschätzen, die stark sind", sagt Haller. "An diesen orientiere ich mich bei den Rennen, weil diese das Renngeschehen auch aktiv mit beeinflussen."

 

L wie Lieblingsspeise Die italienische Küche hat es Haller angetan: Pizza, Pasta und Salate sind die Lieblingsspeisen. "Meistens esse ich eine halbe Pizza Parma und einen Salat mit Thunfisch", erzählt Haller. "Bei Pasta mag ich vor allem Spaghetti Bolognese."

 

M wie Mallorca Auf Mallorca verbringt Haller die meiste Zeit des Winters. "Um die 40 bis 50 Tage im Jahr bin ich dort", erzählt er. "Man ist schnell dort, verliert keinen Reisetag, hat keinen Jetlag und ich kenne mich inzwischen sehr gut auf der Insel aus."

 

N wie Niedereschach Die ersten Schritte im Radsport machte Haller beim baden-württembergischen Verein RV Viktoria Niedereschach. "Ich habe dort die Nachwuchsklassen durchlaufen", erinnert sich Haller. Bis 2009 fuhr er für Niedereschach die Rennen. Mit dem Umzug nach Ingolstadt wechselte Haller auch den Verein und ist seither beim RSC Ingolstadt Mitglied.

 

O wie Organisation Radsport zieht einen hohen logistischen Aufwand nach sich. Die Planung der Rennen, die Buchung der Flüge und Hotels oder die Organisation der Fahrten zu den Rennen übernimmt aber das Team. "Alle Abflugzeiten, Treffpunkte und wichtige Informationen erhalte ich per Mail vom Team", sagt Haller. "Selbst planen muss ich lediglich den Transfer, Dinge für meinen täglichen Bedarf und welche Klamotten ich mitnehme."

 

P wie Papa Rolf Haller war selbst ein erfolgreicher Profi, fuhr die Tour de France und gewann eine Etappe bei der spanischen Rundfahrt Vuelta. "Er ist Vorbild und Mentor. Wenn ich auch einmal eine Vuelta-Etappe in meiner Karriere gewinnen sollte, wäre ich sehr stolz", sagt Haller. Von der Erfahrung seines Vaters profitiert Patrick bis heute.

 

Q wie Quälerei Radsport ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft, heißt es häufig. "Man kann das Quälen nicht erlernen", sagt Haller. "Die Quälerei ist reine Kopfsache. Im Radsport muss man im Kopf so stark sein, dass man auch bereit ist, einmal über das Limit zu gehen, weil sonst das Rennen verloren wäre."

 

R wie rad-net Rose Seit 2013 existiert das deutsche Kontinental-Team rad-net Rose mit Sitz in Hagen (Nordrhein-Westfalen). Rad-net Rose gilt als Talentschmiede. Neben Pascal Ackermann und Marco Mathis schaffte auch Emanuel Buchmann den Sprung in ein World-Tour-Team. Eine Saison fuhr Haller bereits bei rad-net Rose. Ende vergangenen Jahres unterschrieb der 19-Jährige für zwei weitere Jahre. Der Vertrag hat eine Ausstiegsklausel, falls ein höherklassiges Team anfragt.

 

S wie Stürze Verletzte und gestürzte Radfahrer gehören leider zu den Rennen. "Angst vor einem Sturz darf man nicht haben, sonst kann man keine Top-Ergebnisse erzielen", sagt Haller. "Man muss immer konzentriert und wachsam bleiben." Von schweren Verletzungen blieb der 19-Jährige deshalb bislang verschont.

 

T wie Training Radsport ist eine zeitintensive Sportart. Rund 20 bis 30 Stunden pro Woche sitzt Haller pro Woche im Sattel. "Dazu kommen Stabilisationsübungen und Gymnastik", sagt er. "Damit kann ich leichter die Position auf dem Rad halten, bin stabiler und die Kraftübertragung funktioniert idealer", sagt Haller. Neben dem Sport sei auch die ausgewogene Ernährung wichtig.

 

U wie Urinprobe Dopingtest gehören im Radsport dazu, in der Regel wird dies per Urin geprüft. In selteneren Fällen ist dies ein Bluttest. "Mindestens drei- bis viermal im Jahr werde ich getestet", sagt Haller. "Ich bin noch im allgemeinen Testpool. Deshalb muss ich lediglich einen Jahresplan schicken und angeben, wo ich wohne, wo ich trainiere oder wo ich arbeite", sagt Haller. Ab dem B-Kader gibt es das Anti-Dopingprogramm Adams, in dem der genaue Aufenthaltsort täglich eingetragen werden muss.

 

V wie Vorbild "Die deutschen Fahrer wie Tony Martin und Marcel Kittel finde ich toll", sagt Haller. "Mir gefällt, wie sie sich beim Anti-Dopingkampf positionieren und wie sie den Radsport in Deutschland wieder voranbringen." Außerdem mag der 19-Jährige noch die Fahrweise von Vincenzo Nibali, der seine herausragenden Erfolg auch seinem großen Kämpferherz verdankt.

 

W wie Watt Die Leistung im Radsport wird in Watt gemessen. "Im Training sind die Wattzahlen nicht mehr wegzudenken", sagt Haller. Im Rennen seien die Wattwerte allerdings eher nebensächlich, weil es dabei vorrangig darum geht, an der Gruppe dranzubleiben. Im Grundlagenbereich fährt Haller um 200 Watt, im sogenannten Grundlagenbereich 2, der bis zur Schwelle reicht, schafft Haller um 280 Watt, im Entwicklungsbereich bis zu 350 Watt. Im Sprint drückt Haller als Allrounder bis zu 1200 Watt. Die reinen Sprinter, wie beispielsweise André Greipel, schaffen bis zu 1800 Watt.

 

X wie x-mal Jeder Radfahrer hat seine Lieblingsstrecke oder -berg. Bei Haller ist es der Puig de Randa auf Mallorca. Den etwa 300 Höhenmeter langen Anstieg ist der 19-Jährige bereits x-mal hochgefahren; beim Intervalltraining teilweise fünf- bis sechsmal hintereinander. "Irgendwann kennt man dort jede Kurve und jeden Stein", sagt Haller. In der Region Ingolstadt führt ihn seine Runde häufig in den Süden, in die Hallertau - und dort über den Wolfsberg.

 

Y wie Yippiiiee Ein Sieg bei einem Radrennen tröstet über die vielen Entbehrungen und Trainingskilometer hinweg. Zuletzt hat Haller bei der deutschen Mannschaftszeitfahrmeisterschaft gejubelt, das rad-net Rose 2016 gewann. "Ich hoffe natürlich, dass in diesem Jahr noch ein paar Siege hinzukommen", sagt Haller.

 

Z wie Zukunft "Mein Ziel ist es, Profi zu werden", sagt Haller. Drei Jahre hat er im U 23-Bereich noch dafür Zeit, sich für ein Team bei der World-Tour zu empfehlen. "Man muss bei den U 23 absolute Weltklasse sein, damit man auch in der WorldTour besteht", sagt er. Der Level in der Königsklasse des Radsports sei nochmals deutlich höher als bei den U 23.