Hilpoltstein
Der Traum vom Final Four lebt

TV Hilpoltstein zieht nach neun Stunden Tischtennis ins Achtelfinale des DTTB-Pokals ein Dort wartet Bad Königshofen

27.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr

Der erste Schritt Richtung Final-Four-Turnier ist getan: Hilpoltsteins Tischtennisquartett um Nico Christ (oben, v. l.), Alexander Flemming, Petr David und Dennis Dickhardt bejubelt den Einzug ins Achtelfinale des deutschen Pokalwettbewerbs. Dabei stehen die Hilpoltsteiner schon kurz vor dem Aus, ehe Petr David (unten, r.) aufdreht. Alex Flemming macht schließlich den Sack zu. - Fotos: Tschapka (2), Enzmann

Hilpoltstein (HK) "Wir sind fit fürs Final Four." Team-Manager Bernd Beringer strahlte über beide Ohren. Ganz so weit ist der TV Hilpoltstein zwar noch nicht, doch auf beeindruckende Art und Weise haben sich Hilpoltsteins Tischtennisasse gestern fürs Achtelfinale des DTTB-Pokals qualifiziert.

Der Pokal-Marathon über neun Stunden gestern in der Stadthalle vermochte Erinnerungen an vergangene Ruhmestaten zu wecken. Das Achtelfinale haben die Burgstädter jedenfalls schon mal erreicht und dürfen sich dort auf den Bundesligaaufsteiger Bad Königshofen freuen.

Er hat es also wieder getan, der TV Hilpoltstein. War es eine Überraschung, schieres Glück, die bessere Tagesform, lag es an den eigenen Gesetzen, denen man diesem Wettbewerb gemeinhin nachsagt oder hat der TV Hilpoltstein ein spezifisches Pokal-Gen? "Es war unser Kampfgeist", sagt Bernd Beringer und lächelt, "der kann halt Berge versetzen." Sicher ist: Die Schwarz-Gelben haben mal wieder nicht ausgelassen.

Es war wie erwartet, ein echter Härtetest bei schwülen Temperaturen in der Stadthalle. Eine überaus schweißtreibende Angelegenheit. Ständig wechselnde Führungen, spektakuläre Ballwechsel, wahre Nervenschlachten und rekordverdächtige Abnutzungskämpfe verlangten nicht nur den Hilpoltsteinern alles ab.

Doch der Reihe nach. In der Vorrundengruppe 3 bekamen die Hilpoltsteiner recht knackige Gegner serviert. Den alten Bayern-Rivalen TTC Fortuna Passau etwa oder Angstgegner 1. FC Saarbücken II - zwei hohe Hürden. Und auch Drittligist NSU Neckarsulm ist keine Laufkundschaft.

Dabei meinte es der Spielplan mit dem TV Hilpoltstein gut: In der im Modus Jeder gegen Jeden ausgespielten Veranstaltung traf er gestern morgen zunächst auf die Neckarsulmer Sportunion. Ein Traditionsclub, der im Frühjahr nur denkbar knapp in der Relegation an Frickenhausen gescheitert war. Bernd Beringer: "Der Mannschaft fehlten gerade mal zwei Bälle zum Aufstieg in die zweite Liga." Hilpoltstein war also gewarnt.

Als erster musste Alexander Flemming in die Box, der am Freitag feucht-fröhlich noch seinen 30. Geburtstag gefeiert hatte, Immerhin: Morgens um 10 Uhr in Hilpoltstein schleppte sich der Kapitän gegen Neckarsulms Spitzenmann Jens Schabacker nach Anlaufschwierigkeiten zu einem Fünf-Satz-Sieg.

Eine Steilvorlage für Petr David? Von wegen. Der Tscheche hatte noch den Edeka-Cup am Vortag in Buxheim bei Ingolstadt in den Knochen und war erst kurz vor ein Uhr nachts wieder daheim. Eine professionelle Vorbereitung sieht definitiv anders aus. Da konnte selbst Bernd Beringer nur den Kopf schütteln. So musste David den Strapazen Tribut zollen, spielte saft- und kraftlos und gab beide Einzel ab.

Gut, dass Dennis Dickhardt, der in allen Partien den Vorzug vor Nico Christ erhalten hatte, mit seinem schwachen Gegner nicht viel Federlesens machte. Dass Christ diesen neun Stunden langen Tag gänzlich auf der Spielerbank verbringen musste, dokumentiert auch die veränderte Hierarchie innerhalb der Mannschaft. Den Sack zum 3:2-Gesamtsieg machte dann Flemming zu, der langsam wieder auf Touren kam.

Pause. Kurz durchatmen, eine Tasse Kaffee, ein paar Semmeln und weiter ging es um 13.30 Uhr - der Zeitplan war schon hier längst Makulatur. Egal, denn nun trafen die Burgstädter auf den FC Saarbrücken II, den wohl schwersten Gegner. Die Saarländer gelten mit dem 19-jährigen Tschechen Tomas Polansky, einem der größten Talente Europas, dem deutschen Jung-Nationalspieler Dennis Klein, dem Neuzugang Deni Kozul, sowie dem Russen Andrey Semenov als Meisterschaftsfavorit in der 2. Bundesliga. Ein Team, gegen das Hilpoltstein seit über zwei Jahren kein Bein mehr auf den Boden bekommen hat.

Das spielte aber keine Rolle für Alexander Flemming, der längst Feuer gefangen hatte und den Slowenen Deni Kozul mit 3:1 deutlich in die Schranken wies. Davids anschließendes 0:3-Desaster gegen seinen Landsmann Polansky verhieß jedoch nichts Gutes. Anschließend spielten Dennis Dickhardt und Andrey Semenov mal wieder Achterbahn. Nach 11:6 und 5:11 brachte dann der dritte Durchgang die Vorentscheidung, als sich Dickhardt selbst nach einem 0:4-Rückstand nicht aus der Ruhe bringen ließ und sich den Satz holte.

Nun hatte Flemming die Sensation auf dem Schläger, aber nicht etwa gegen Thomas Polansky, der etatmäßig hätte spielen sollen, sondern gegen Dennis Klein. Der FC hatte kurzfristig von seinem Spielerwechselrecht (innerhalb eines Wettkampfes) Gebrauch gemacht. Das Staunen der Hilpoltsteiner quittierte Saarbückens Betreuer Andreas Arndt mit einem Achselzucken: "Unsere Jungs machen das gerne unter sich aus." Verstehen muss man das nicht, Tatsache ist aber, dass sich Flemming gegen Dennis Klein schon immer enorm schwer tat.

So auch dieses Mal. Nach 1:11 und 11:7 wurde es im dritten Satz dramatisch. Flemming geriet mit 2:6 in Rückstand, kämpfte sich über 8:10 auf 10:10 heran, beantwortete wenig später einen Machtball mit einem Netzroller und musste sich doch mit 12:14 beugen. Eine Vorentscheidung. Das Ende kam dann im fünften Satz.

Jetzt musste es Petr David gegen Deni Kozul richten, doch irgendwie lief alles gegen ihn. Bei Matchball Kozul im dritten Durchgang wurde es ganz still in der Halle. Hilpoltstein stand unmittelbar vor dem Aus. Dann geschah das Unfassbare. David, der bis dahin völlig neben sich gestanden war, traf eine Vorhand und noch zwei weitere, holte sich den Satz und war fortan nicht mehr wiederzuerkennen. Seine ganze Körpersprache änderte sich. Er vibrierte, verrichtete vor den Aufschlägen seine Kniebeugen, stieß kurze, schrille Schreie aus und war zum ersten Mal an diesem Nachmittag wirklich wach. Und prompt fanden seine gefürchteten Schläge wieder ihr Ziel. Die pfeilschnelle Rückhand etwa oder der giftige Eröffnungs-Topspin mit der Vorhand. Das 3:2 ging im Jubel der nur 110 Zuschauer unter.

Kurz vor fünf Uhr begann der letzte Akt: Das "ewige" Bayern-Derby gegen Fortuna Passau. Und schon nach kurzer Zeit war klar: Da Saarbrücken nebenan ein 3:0 vorgelegt hatte, musste Hilpoltstein gegen die Niederbayern unbedingt gewinnen, die selbst noch eine Minimalchance auf den Turniersieg hatten. Und die Schwarz-Gelben ließen sich nicht lange bitten: Flemming nahm Krisztian Nagy ebenso auseinander wie David den Passaus Frontmann Tamas Lakatos. Da Dickhardt gegen den starken Tomislav Kolarek letztlich das Nachsehen hatte, musste die allerletzte Begegnung über den Turniersieg entscheiden. Und Alexander Flemming warf noch einmal alles in die Waagschale. Um 19.12 Uhr war es dann vollbracht. Der erste Triumph der neuen Saison war perfekt.

NSU Neckarsulm - TV Hilpoltstein 2:3 - Jens Schabacker - Alexander Flemming 4:11, 11:7, 11:8, 8:11, 8:11, Julian Mohr - Petr David 11:5, 3:11, 11:7, 6:11, 11:9, Alexander Gerhold - Dennis Dickhardt 9:11, 10:12, 4:11, Jens Schabacker - David 11:2, 11:4, 11:7, Julian Mohr - Flemming 8:11, 12:10, 7:11, 6:11.

TV Hilpoltstein - FC Saarbrücken II 3:2 - Flemming - Deni Kozul 11:9, 11:7, 9:11, 11:6, David - Tomas Polansky 6:11, 5:11, 8:11, Dickhardt - Andrey Semenov 11:6, 5:11, 11:9, 11:6, AlFlemming - Dennis Klein 1:11, 11:7, 12:14, 11:3, David - Deni Kozul 11:13, 10:12, 12:10, 11:9, 11:7.

TV Hilpoltstein - Fortuna Passau 3:1 - Flemming - Krisztian Nagy 9:11, 11:7, 13:11, 11:6, David - Tamas Lakatos 11:7, 11:4, 5:11, 11:5, Dickhardt - Tomislav Kolarek 8:11, 12:10, 9:11, 11:13, Flemming - Tamas Lakatos 11:6, 14:12, 13:11.\t