Gaimersheim
Ein Traum wird wahr

Schützin Anna-Lena Kinateder aus Gaimersheim holt bei den Europameisterschaften in Estland Silber und Bronze

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:38 Uhr

Zwei Medaillen, eine silberne und eine bronzene, brachte Anna-Lena Kinateder von den Europameisterschaften in Tallinn mit in ihrer Heimat Gaimersheim. Dort hatte der Vorstand ihres Vereins "Hubertus" einen Empfang organisiert, an dem nicht nur Bürgermeisterin Andrea Mickel, sondern auch Landrat Anton Knapp, auch er ein Gaimersheimer, teilnahmen. Bald darf sich die erfolgreiche Sportlerin ins Goldene Buch der Gemeinde eintragen. - Foto: Münch

Gaimersheim/Tallinn (DK)

Gaimersheim (EK) Das Wetter ist miserabel: Der Wind pfeift Anna-Lena Kinateder um die Ohren, er wird immer stärker. Dabei geht es um so viel: Die Gaimersheimerin möchte bei den Europameisterschaften im estnischen Tallinn ihr Können unter Beweis stellen. Sie nimmt ihr Ziel ins Visier und drückt ab. Doch der Schuss kommt nicht an, der Wind hat ihn weggetragen. Regen prasselt auf ihren Kopf. Die Windfahnen sind durchnässt und so schwer, dass nicht erkennbar ist, woher der Wind dreht. Sie legt an, zielt, drückt erneut ab. Und diesmal sitzt die Kugel. Eine 9,8. Auf der Anzeigetafel heißt es jetzt: Platz drei für Anna-Lena Kinateder aus Deutschland. Die Bronze-Medaille ist ihr sicher.

"Ich wusste aber, dass ich auch noch auf Goldkurs war. Ich hab mich jedoch schon so über Bronze gefreut, dass ich den nächsten Schuss in aller Aufregung einfach geschossen hab. Leider stand ich dabei ein wenig neben der Scheibe und so wurde es eine 6,1. Aber das war völlig egal. Ich bin auch über Bronze überglücklich", sagt Kinateder im Nachhinein.

Durch ihre hervorragenden Leistungen schaffte es die 19-jährige Gaimersheimerin, bei den Junioren-Europameisterschaften im Sportschießen in Tallinn im Einzel den dritten Platz zu erreichen. Zusammen mit ihren beiden Teamkolleginnen Tina Lehrich und Sabrina Hößl wurde Kinateder zudem Vize-Europameisterin in der Mannschaftswertung.

Kinateder wusste, dass ihr großer Traum von einer Medaille nicht leicht zu erreichen sein würde. Das machte sich emotional bemerkbar. "Ich war eigentlich die ersten Tage ziemlich ruhig, hab's mir gut gehen lassen und das Ganze ein bisschen wie Urlaub betrachtet. Mitte der Woche wurde dann alles schon etwas schwerer und ich hab überlegt, was wäre, wenn. Ich wusste, dass von mir etwas erwartet wurde, wusste, dass ich es kann und überlegte, wie es wäre, mit Medaille nach Hause zu kommen. Ich baute mir immer wieder selbst einen riesigen Druck auf." Die schlechten Wetterverhältnisse, die vielen Nationen, die an der Meisterschaft teilnahmen oder die Wettbewerbe als Publikum über den Liveticker verfolgten - das alles erhöhte den Druck gewaltig. Zumindest hatte sie Gelegenheit, die Tage vor dem Wettkampf für sich voll auszunutzen. Sie sah sich die Stadt an, trainierte an zwei Tagen, sprach viel mit ihren Trainern und mit ihren Teamkolleginnen. "Ich hatte ein wunderbares Team! Das Beste seit Langem. Wir haben uns oft abgelenkt, uns aber auch über Ängste und über den bevorstehenden Wettkampf unterhalten", erzählt Kinateder.

Als sie am Samstag aufwachte, war plötzlich alles anders: "Die ganze Anspannung war wie weggeblasen. Ich war so heiß auf den Wettkampf, dass ich aber gleichzeitig total ruhig war. Und so zog sich das bis in den Wettkampf und sogar bis ins Finale. Dieser Gelassenheit habe ich letztendlich meine Medaillen zu verdanken."

Dann war es soweit. Kinateder trat in der Disziplin Kleinkaliber 3x20 an, also jeweils 20 Schuss kniend, liegend und stehend. Zuerst wurde die Mannschaftswertung herausgeschossen. Trotz des Gewitters gaben die drei Teamkolleginnen mutig einen Schuss nach dem anderen ab. "Der Sturm hörte nicht auf, aber ich gab mein Bestes. Am Ende war ich trotz meiner sauberen Arbeit und meiner super Anschläge mit dem Endresultat nicht ganz so zufrieden. Als ich dann aber auf der Leinwand gesehen hab, dass unsere Mannschaft die Silbermedaille geholt hat, war ich erleichtert. Und dann hat es ja für mich auch noch für das Finale gereicht, ich hatte also mein Ziel erfüllt", sagt Kinateder. Am Ende hieß es: Anna-Lena Kinateder 571 Ringe, Sabrina Hößl 570 Ringe und Tina Lehrich 569 Ringe. Dieses Gesamtergebnis von 1710 Ringen reichte, um sich hinter der Mannschaft aus Norwegen mit 1716 Ringen und vor der Mannschaft aus Russland mit 1702 Ringen zu platzieren. Der Vizetitel des Mannschafts-Europameisters stand fest.

Somit konnte Kinateder etwas entspannter ins Finale gehen, in das die besten acht Schützinnen aus dem Mannschaftswettbewerb einzogen. Dort wurden zunächst wieder jeweils 20 Schuss kniend, liegend und stehend geschossen, danach ging es in die Ausscheidungsrunden, bei denen die jeweils schwächste Schützin herausfällt. Mit 151,7 Ringen in kniender Position legte Kinateder gut vor, ging kurzzeitig in Führung. Liegend schoss sie für ihre Verhältnisse schwache 151,6 Ringe und fiel auf den sechsten Platz zurück. "Dass ich mich plötzlich wieder weiter vorgeschossen habe, hab ich erst gar nicht mitbekommen, erst als nur noch vier Schützen am Stand waren. Ich dachte mir dabei nur: Du bist kurz vor einer Medaille, reiß dich zusammen!" Mit einer 9,8 gelang ihr das Meisterstück und sie sicherte sich Bronze. Mit ihren 438,2 Ringen liegt sie hinter der Niederländerin Mandy Mulder (452,3) und der Norwegerin Jenny Vatne (449,3).

Die 19-Jährige kann es kaum fassen, dass sie ihren Medaillen-Traum wahr gemacht hat. Auch für ihre Familie und ihren Stammverein Hubertus Gaimersheim ist die Freude groß. Der Vorstand organisierte am Sonntagabend zu ihrer Rückkehr einen Überraschungsempfang. Auch das Goldene Buch der Gemeinde wartet schon auf die Schützin.