München
Aus der Zeit gefallen

Warum ein Fußballspiel im Grünwalder Stadion so besonders ist - und doch befremdlich wirkt

13.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr

−Foto: Gottfried Sterner

München (gst) Ein Stadion mitten in der Stadt. Im Wohngebiet, umgeben von Verkehrshauptschlagadern.

Schmucklos, wie ein Betonbunker wirken die Außenmauern. Durchbrochen allenfalls von einigen Eisentoren. Und an den vier Ecken ragen jeweils dünne Flutlichtmasten empor, an denen einige Lampen hängen. Keine Frage, das Grünwalder Stadion ist aus der Zeit gefallen.

Rundherum herrscht zwar reger Trubel, aber auch der wirkt wie eine Kulisse in einem historischen Film. Oder zu welchem Stadion in Deutschland pilgern noch 90 Prozent Männer? Die Frauenquote ist tatsächlich äußerst gering, ebenfalls die der Kinder und Jugendlichen. Bei vielen Fans, die meisten in blauen Kutten gekleidet, ist das Haupthaar licht geworden oder ergraut, dafür darf die Flasche Augustiner in einer Hand nicht fehlen. Hier sind die Fußball-Hardcorefans unterwegs in ihre alte Heimat. Dies ist keine Fußballbühne, keine Allianz-Arena, sondern ein Stadion mit Tradition. Und genau das macht für sie den Charme aus und jedes Spiel, ob im DFB-Pokal oder der Regionalliga zu einem Erlebnis – wohl wissend, dass es wahrscheinlich bald das letzte dieser Art sein wird.

Manni von den Staffelsee-Löwen in Uffing schlürft mit seinen Kumpels beim Adria Blue eine Stehhalbe, bevor er ins Stadion geht. „Die Ingolstädter schlagen wir. Die können nix“, ist er sich sicher und ruft zur Bekräftigung noch ein „Einmal Löwe, immer Löwe“ dazu. Über die Candidstraße pilgern derweil Hundertschaften weitere „Blaue“ zu den Eingangstoren, während sich die gut 1000 Schanzer bereits in ihrem Block auf den Stehrängen postiert haben.

Einige Gucklöcher in den Mauern sind noch offen. Hoffnung keimt daraufhin bei einigen Kurzentschlossenen auf. „Gibt‘s noch Karten?“ fragt einer und streckt den Kopf weit in eines der Fenster hinein. „Alles weg“, kommt die nüchterne Antwort – kein Schild, keine Infotafeln, nichts gibt‘s an den anachronistischen Kassenschaltern.

Im Stadion wird einem hinter den Spielerbänken auf dem Weg zur Haupttribüne der Blick aufs Spielfeld durch rostige Stahlgitter und milchige Glasscheiben verschleiert. Sie haben in all den Jahren schon manchen vollen Bierbecher abbekommen. Doch dafür ist es umso lauter. Alle feuern sie ihre Löwen an, schimpfen auf den DFB, den FC Bayern und die „Schwarze Sau“, weil er für den FCI einen Elfmeter pfeift. Am Ende verlieren die „Blauen“, doch die Fans feiern ihr Team. Schließlich bleibt man auch in der Niederlage immer ein Löwe, und wer weiß, wie oft man noch ins Grünwalder gehen kann.