Ingolstadt
"Wir wehren uns nicht gegen den Aufstieg"

Vor Partie gegen Kiel: Mittelfeldspieler Christian Träsch über den Aufschwung beim FCI und Trainer Leitl

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr
Heimkehrer: Christian Träsch trug bisher zehnmal das Trikot des FC Ingolstadt. Der 30-jährige Defensivallrounder sorgte zuletzt vor allem auf der Sechserposition vor der Abwehr für Struktur und Stabilität im Spiel der Schanzer. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Christian Träsch ist der erfolgreichste Fußball-Profi, den Ingolstadt je hervorgebracht hat. Der 30-Jährige verließ einst mit 15 seine Heimatstadt, um Karriere zu machen.

Nach 207 Bundesliga-Spielen und zehn Einsätzen in der deutschen Nationalmannschaft kehrte der Defensivallrounder im vergangenen Sommer in die Schanz zurück und trägt nun das Trikot des FC Ingolstadt. An diesem Samstag (13 Uhr) im Spitzenspiel beim Zweitliga-Tabellenführer Holstein Kiel zum elften Mal.

 

 

"Wir haben eine Riesenqualität in der Mannschaft."

 

 

 

Herr Träsch, warum läuft es derzeit so gut beim FCI?

Christian Träsch: Man merkt einfach, dass die Mannschaft mehr Selbstvertrauen hat als am Anfang der Saison. Das ist den Siegen geschuldet. Wenn man verliert, kommt man in einen Negativstrudel. Bei uns ist es jetzt genau anders, wir haben einen Lauf und wollen den Schwung mitnehmen.

 

Aber dafür braucht man erst den ersten Schritt. Warum hat die Mannschaft angefangen zu gewinnen?

Träsch: Prinzipiell ist die Qualität in der Mannschaft da. Aber manchmal ist es so, dass man sie nicht auf den Platz bekommt. Stefan Leitl hat eine gute Mischung gefunden, wie er die Spieler motiviert. Er holt alle Spieler mit ins Boot, nicht nur die ersten 11 oder 13. Das merkt man auch im Training, alle sind hoch motiviert, und das bringt die ganze Mannschaft voran.
 

Sie hatten in Ihrer Laufbahn erfahrene Trainer wie Felix Magath oder Dieter Hecking. Was macht einen so jungen Trainer wie Stefan Leitl aus?

Träsch: Er hat einen ganz engen Draht zu den Spielern. Er ist keiner von der alten Schule, der nur draufhaut. Er bringt auch das Zwischenmenschliche mit und kann mit den ganz jungen Spielern sehr gut umgehen. Das beherrscht nicht jeder Trainer.

 

Sie nehmen auf der Sechserposition im defensiven Mittelfeld mittlerweile eine tragende Rolle ein. Hat sich das so entwickelt, oder hat der Trainer mit Ihnen schon länger darüber gesprochen, dass er Sie lieber auf der Sechserposition als auf der rechten Abwehrseite sieht?

Träsch: Als ich gekommen bin, war das offen. Der Trainer hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Mir kam das sogar entgegen, weil mir die Position viel Spaß macht. Ich bin froh, dass ich da spielen darf.

 

Das war ja schon Ihre Wunschposition, als Sie noch beim TSV 1860 München in der Jugend spielten.

Träsch: Ja, das stimmt. Mein großes Vorbild war Patrick Vieira (Französischer Nationalspieler von 1997 bis 2009, Anm. d. Red.) . Er hat viel Ruhe ausgestrahlt, so etwas hat mir auch vorgeschwebt. Dann bin ich beim VfB Stuttgart zufällig rechts hinten reingerutscht, als Andy Beck und Ricardo Osorio verletzt waren. Das hat zum Glück funktioniert. Danach habe ich auch in der Nationalmannschaft Rechtsverteidiger gespielt. Das ist eine gute Position, die viele Ballkontakte mit sich bringt. Aber trotzdem fühle ich mich im Zentrum sehr wohl.

 

Wie ist es, wieder das Trikot eines Ingolstädter Vereins zu tragen?

Träsch: Das ist ein schönes Gefühl, weil immer die ganze Familie im Stadion ist. Meine Oma versucht bei jedem Heimspiel da zu sein, auch mein Opa und meine Schwiegereltern sind immer dabei. Das macht mich stolz.

 

"Mir macht die Sechserposition viel Spaß. Ich bin froh, dass ich da spielen darf."

 

 

War es am Anfang schwierig, weil eine gewisse Bürde damit verbunden ist, zumal es nicht so gut lief?

Träsch: Nein, das war keine Bürde, auch wenn die Ergebnisse ein bisschen gefehlt haben. Jedes Training macht Spaß, und es ist schön, wenn man mit Freude bei der Arbeit ist.
 

Jetzt hat der FCI mit Fortuna Düsseldorf den ersten Spitzenreiter geschlagen, mit Kiel wartet bereits der nächste. Was erwarten Sie von diesem Spiel?

Träsch: Kiel spielt eine überragende Saison. Der Verein war mir bis zu den Relegationsspielen gegen die Löwen vor zwei Jahren ehrlich gesagt nicht so präsent. Die Kieler spielen sehr kompakt und sind sehr bissig in den Zweikämpfen. Da sind sie wie wir, erst danach kommt der spielerische Aspekt. Aber wir haben eine Riesenqualität in der Mannschaft. Diese wollen wir auch in Kiel zeigen.

 

Nach der jüngsten Erfolgsserie ist der Abstand auf den Aufstiegsrelegationsplatz bis auf zwei Punkte geschrumpft. Was ist bis zur Winterpause noch möglich?

Träsch: Es sind noch vier Spiele, also werden noch zwölf Punkte vergeben. Davon wollen wir so viele wie möglich holen. Es kann in der Liga jeder jeden schlagen.

 

Wird in der Spielerkabine schon über den Aufstieg gesprochen?

Träsch: Nein, gar nicht. Das wäre jetzt falsch. Dafür sind wir zu schlecht in die Saison gestartet. Natürlich sind wir zurzeit in einem Lauf drin. Den wollen wir auch fortsetzen. Was dann am Saisonende dabei herauskommt, wird man sehen. Wir wehren uns nicht gegen den Aufstieg, aber wir wollen uns jetzt keinen Druck machen.

 

Früher gab es immer den Sonntags-Freizeitkick mit ihrem Vater in Rothenturm. Kommen Sie da noch dazu?

Träsch: Das ist jetzt doch schon länger her, dass mich da mein Vater mitgenommen hat. Aber wir hatten vor zwei Wochen ein Entenessen, bei dem ich mit meiner Familie auch dabei war. Es war schön, die älteren Herren wiederzusehen. Sie haben auch schon gefragt, ob ich in vier, fünf Jahren wieder vorbeischaue und mitspiele. Bis dahin bleibt es aber erst einmal beim gemeinsamen Entenessen.
 

ZUR PERSON

Das verraten die Zahlen: Christian Träsch wurde am 1. September 1987 in Ingolstadt geboren. Nach den Anfängen beim TV und MTV Ingolstadt wechselte er mit 15 Jahren zum TSV 1860 München. Sein erstes von bisher 207 Bundesliga-Spielen für den VfB Stuttgart (2007-11) und VfL Wolfsburg (2011-17) bestritt Träsch am 3. Februar 2008 gegen den FC Schalke 04. Am 2. Juni 2009 wurde er von Bundestrainer Joachim Löw erstmals ins Nationalteam berufen, für das er auf zehn Einsätze kam. Eine Sprunggelenksverletzung verhinderte 2010 jedoch seine Nominierung für den WM-Kader. 2015 wurde Träsch mit Wolfsburg Vizemeister und DFB-Pokalsieger. Vergangenen Sommer unterschrieb der Defensivallrounder beim FCI einen Vertrag bis 2021. Gemessen an den Trikotverkaufszahlen ist Träsch nach Sonny Kittel bereits der zweitpopulärste Profi bei den Schanzern.

 

Das verrät Stefan Leitl: "Wir haben am Anfang gesagt, wir müssen sehen, wer wo seine beste Leistung bringt. Dass Christian Träsch nun auf der Sechserposition spielt, hat viel mit Tobi Levels zu tun, weil der stabil als Rechtsverteidiger spielt. Deswegen haben wir Chris ins Zentrum gezogen. Er bringt sehr viel Erfahrung mit, hat ein gutes Spielverständnis und kann den Takt vorgeben und Ruhe reinbringen. Chris ist sehr wichtig in unserem System, ebenso wie die beiden Außenverteidiger, die die meisten Balkontakte haben. Das Zusammenspiel funktioniert gut, und Chris macht das hervorragend." | gst