Ingolstadt
"Bin gespannt, ob das dem Fußball guttut"

Ex-Fifa-Schiedsrichter Lutz-Michael Fröhlich über die mögliche Einführung des Videobeweises

03.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Spiel des FC Ingolstadt bei Borussia Dortmund ist zwar nun bereits Geschichte, doch die umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen, die zum 2:0-Sieg der Westfalen führten, wirken immer noch nach. Wir haben uns mit Lutz-Michael Fröhlich, einem Mitglied der DFB-Schiedsrichterkommission, über die viel diskutierten Szenen und den Videobeweis unterhalten.

Herr Fröhlich, gibt es einheitliche Haltung der DFB-Schiedsrichter zum Videobeweis?

Lutz-Michael Fröhlich: Die Schiedsrichter-Kommisssion hat sich für Innovation und Technik ausgesprochen. Das heißt, dass alles was hilfreich sein kann, die Schiedsrichter in ihrer Arbeit zu unterstützen, zumindest getestet werden sollte.

 

So weit sind Sie aber noch nicht. Hängt die Entscheidung darüber nun von der Sitzung des International Football Association Board im März ab?

Fröhlich: Genau. Es gibt vom Direktorium des Boards eine dringliche Empfehlung, die Tests durchzuführen, aber das muss bei der Jahresversammlung erst beschlossen werden. Wenn das kommt, was auf dem Tisch liegt, würde es bedeuten, dass eine zweijährige Testphase möglich wäre. Der DFB hat bereits sein Interesse an einem solchen Projekt hinterlegt.

 

Wäre es auch denkbar, dass ein Verband einen Alleingang unternimmt, unabhängig von der Entscheidung des Regelboards?

Fröhlich: Nein. Wenn die Fifa entscheiden würde, die Testphase für den Videobeweis nicht zuzulassen, dann würde es auf einen Konflikt hinauslaufen, und es wäre sehr schwierig, als Nationalverband einen Alleingang durchzuziehen - das kann nicht das Ziel sein.

 

Wenn man die umstrittenen Szenen des Spiels in Dortmund heranzieht, welche würden Sie für geeignet halten, sie durch einen Videobeweis zu überprüfen?

Fröhlich: Man müsste vorher erst einmal klar festlegen, welche Situationen man für eine Überprüfung zulassen will. Das könnten die wichtigsten Ereignisse sein, die ein Spielergebnis beeinflussen: Torerzielung, Elfmeter und Feldverweise. Bei dem Abseitstor im konkreten Fall war das Spiel unterbrochen. Da würde über einen Videobeweis schnell feststellbar sein, dass es sich um eine knappe, aber im TV-Bild erkennbare Abseitsstellung handelt.

 

Wie sieht es bei dem nicht gegebenen Eigentor von Mats Hummels aus?

Fröhlich: Da wird's schon schwieriger, weil man das im Bild nicht genau analysieren kann. Da ist die Zweikampfbewertung gefragt. Die Bilder lassen es eher nicht zu, den Schiedsrichter zu korrigieren. Das ist eine Ermessensentscheidung aus Spiel heraus, die auch noch vom Assistenten beeinflusst wurde. Da halte ich den Videobeweis nicht für geeignet.

 

Was sagen Sie zur Elfmetersituation mit Dario Lezcano und Mats Hummels?

Fröhlich: Auch die ist eher ungeeignet für den Videobeweis, weil es auch hier um eine Zweikampfbewertung geht. Immer wenn der Schiedsrichter noch einen kleinen Ermessensspielraum hat, ist der Videobeweis ungeeignet.

 

Hängt die Nutzbarkeit des Bildmaterials auch davon ab, ob das Spiel weiterläuft oder unterbrochen wurde?

Fröhlich: Das müsste vorher vereinbart werden. Wenn das Spiel weiterläuft, müsste man sich auf einen angemessenen zeitlichen Umfang verständigen. Angenommen einige Spielzüge später fällt ein Tor, dann wird es schwierig, auf eine vorige Situation zurückzukommen.

 

Gibt es bereits eine Vorschlagsliste, welche Kriterien man anwendet?

Fröhlich: Die Einführung des Videobeweises wäre ein sehr umfangreiches Projekt. Da sind technische Voraussetzungen nötig, Schulungen und auch die Festlegung der Kriterien wären ein Prozess, der erstmal durchlaufen werden müsste. Bei Tests zum Videobeweis in Holland beispielsweise werden derzeit nur Strafstöße überprüft, die gepfiffen wurden. Hilfreich wäre aber auch der umgekehrte Fall.

 

Bisher stehen die Unparteiischen nach Fehlentscheidungen immer als die Dummen da. Würde der Videobeweis den Druck etwas von den Unparteiischen nehmen?

Fröhlich: Das könnte schon sein. Aber der Schiedsrichter, der permanent durch den Videoschiedsrichter überstimmt wird, würde auch irgendwann infrage gestellt werden. Es muss also schon der Anspruch der Schiedsrichter bleiben, von sich aus die Dinge richtig zu bewerteten. Der Videoschiedsrichter kann aber hilfreich sein, den Schiedsrichter vor gravierenden Fehlern zu schützen.

 

Sind die technischen Hilfsmittel so weit ausgereift, dass man sie problemlos einsetzen könnte?

Fröhlich: Zum Teil kann man auf bestehende Technik zurückgreifen, aber ein Operator und ein Videoschiedsrichter wären schon nötig. Das ist schon etwas komplexer als bei der Torlinientechnologie, die ja inzwischen ohne Probleme funktioniert.

 

Wenn Sie eine persönliche Einschätzung abgeben, sind Sie für oder gegen den Videobeweis?

Fröhlich: Ich bin dafür, dass man es testet, weil man sich Neuerungen nicht verschließen darf. Und ich bin gespannt, wie das in der Praxis funktioniert, ob der Videobeweis tatsächlich die gewünschten Effekte hat. Man muss sich das in Ruhe ansehen, ob es dem Fußball guttut.

 

Das Gespräch führte

Gottfried Sterner.