Der Skandal weitet sich aus

16.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:30 Uhr

 

Sinsheim (DK) Was zunächst nach einem Dumme-Jungen-Streich aussah, entwickelt sich zu einem handfesten Skandal: Deshalb beschäftigt sich jetzt nicht nur die Polizei mit der Akustik-Attacke von Hoffenheim, sondern auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB).

Beim Gastspiel von Meister Borussia Dortmund bei der TSG 1899 Hoffenheim war der Gästeblock mit Lärm bis an die Schmerzgrenze beschallt worden. Damit sollten offenbar Schmähgesänge gegen Klub-Mäzen Dietmar Hopp übertönt werden. Zumindest ein BVB-Fan hat nach eigenen Angaben körperliche Schäden davon getragen und hat deshalb Strafanzeige gestellt.

Auch wenn sich die Klubverantwortlichen inzwischen in einer Pressemeldung von der Aktion distanziert und sich bei den Dortmunder Fans entschuldigt haben, so bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn, so die empörten Dortmunder Fans, die Apparatur des Störenfrieds stand unübersehbar im Stadiongang, direkt unter dem Gästefanblock.

Deshalb lässt Thilo Danielsmeyer vom Dortmunder Fanprojekt die halbherzigen Entschuldigungen der Breisgauer nicht gelten: „Mehrere umstehende Personen waren durchaus über Sinn und Zweck des Beschallungsapparats im Bilde. Die Polizei wusste es, und der Ordnungsdienst wusste es auch.“ Ein Verantwortlicher habe ihm das System sogar erklärt. „Er sagte, hinter dem Tor sitzt einer und macht ein Zeichen, sobald Schmährufe ertönen. Dann hat jemand den Signalton ausgelöst. Das Gerät wurde definitiv von weiter weg bedient“, schilderte Danielsmeyer der Nachrichtenagentur dapd. Er geht sogar soweit zu behaupten, dass „auch Entscheidungsträger“ von dem Lärmmacher wussten. „Der Bereich vor dem Gästeblock ist der sensibelste Bereich, den es im Stadion gibt. Normalerweise wird da selbst das kleinste Fitzelchen, das auf dem Boden liegt, beseitigt. Bei uns in Dortmund wüsste das zumindest ein Vorstandsmitglied.“

Die Hoffenheimer versuchten den Vorfall zunächst möglichst herunter zu spielen. „Ein Mitarbeiter habe eine entsprechende Apparatur eigenmächtig zum Einsatz gebracht, als Gegenmittel gegen die Anti-Hopp-Gesänge“, hieß es am Montag. Gestern aktualisierte der Klub dann sein Statement. Der Mitarbeiter habe seine Apparatur bereits bei vier Spielen Anfang des Jahres 2011 aufgebaut und zwar bei den Spielen gegen Köln (19. Februar), Mainz (26. Februar), Dortmund (12. März) und Frankfurt (16. April).

Schon nach der Partie gegen die Eintracht hatten Frankfurter Internet-User auf die Störquelle hingewiesen. Axel Hoffmann, der damals im Frankfurter Block stand erinnert sich: „Als die üblichen Gesänge kamen, gab es kurzzeitig einen merkwürdigen Ton im Stadion, der für uns in dem Moment gar nicht greifbar war. Ich habe das zuerst mit dem Gepfeife der Einheimischen assoziiert, aber es war klar, dass es das nicht ist.“

Nachdem die Dortmunder Fans ein hochauflösendes Foto ins Internet gestellt hatten, das neben der Apparatur auch drei Personen zeigt, die auf einer Bierbank daneben sitzen, konnten die Hoffenheimer den Vorfall nicht weiter herunterspielen und verkündeten, sie hätten entsprechende arbeitsrechtliche Konsequenzen gegen den betroffenen Mitarbeiter eingeleitet. Dieser tauchte dann am Nachmittag bei der Kriminalpolizei in Sinsheim auf und übergab die 130 x 100 Zentimeter große Apparatur an die Polizei.

Nach Angaben der Polizei handelt es sich um zwei über einen Verstärker betriebene Druckkammer-Lautsprecher, die über ein ca. 60 Meter langes Kabel von der dem Auswärts-Fanblock gegenüberliegenden Stadionseite mit einem Laptop gesteuert wurden. Ebenfalls sichergestellt wurde eine Holzkonstruktion, auf die die Apparatur mobil montiert werden konnte. Der TSG-Angestellte gab an, zusammen mit einem Bekannten für die Installation der Lautsprecheranlage verantwortlich zu sein.

Beim Deutschen Fußball-Bund hat man inzwischen auf die Vorwürfe gegen Hoffenheim reagiert. „Im Moment laufen Vorermittlungen, um den genauen Sachverhalt in Hoffenheim zu klären. Danach wird entschieden, ob vom Kontrollausschuss ein Verfahren eingeleitet wird“, sagte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker. Die DFL will sich dazu nicht äußern und verweist auf die Zuständigkeit des DFB. Die Hoffenheimer sind inzwischen zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden.

Dietmar Hopp selbst hat nach eigener Bekundung von dem Vorfall nichts mitbekommen. In einem Gespräch mit dem Kurpfalz Radio misst er der Angelegenheit offenbar keine große Bedeutung bei: „Man sollte ja nicht vergessen, dass das nur eine Reaktion auf eine jahrelange Aggression war. Und der Mann hat halt noch irgendwo ein Gerechtigkeitsgefühl. Dass er über das Ziel hinaus geschossen ist – okay.“

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat derweil bestätigt, dass ein BVB-Fan aus Pforzheim Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt hat. „Wir müssen aber zunächst prüfen, ob überhaupt eine Straftat vorliegt – das ist keinesfalls sicher“, sagte der Heidelberger Staatsanwalt Florian Pistor auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa.