Ingolstadt
Saisonarbeiter auf Kufen

Viele Eishockey-Profis erhalten im Sommer Geld vom Arbeitsamt – auch beim ERC Ingolstadt

30.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:50 Uhr

Sommerpause beendet: Für die Eishockey-Profis des ERC Ingolstadt und Trainer Niklas Sundblad (links) hat die Vorbereitung auf die neue Saison begonnen. - Foto: Meyer

Ingolstadt (DK) Schluss mit Stempeln: Mit dem Start der Vorbereitung endet für viele DEL-Profis die Arbeitslosigkeit. Weil ihre Vereine sie nur neun Monate lang beschäftigen, erhalten sie im Sommer Geld von der Arbeitsagentur. Das ist legal – und auch in Ingolstadt gängige Praxis. Der EHC München hat das geändert.

Am liebsten möchte er gar nicht darüber reden. Ein „unangenehmes Thema“ sei das, sagt Peter Kundinger von der Arbeitsagentur Ingolstadt. Jedes Jahr, pünktlich zum 1. Mai, melden sich einige Spieler des ERC arbeitslos, weil ihre Verträge ausgelaufen sind. Der neue Kontrakt beginnt erst im August. Trotz Gehältern im sechsstelligen Bereich haben die Profis in den spielfreien Monaten Mai, Juni und Juli Anspruch auf Arbeitslosengeld. Rechtlich ist dieser vom Gesetzgeber gedeckt – trotzdem ärgert sich Kundinger. „Ich finde das moralisch äußerst bedenklich.“

Vor zwei Jahren machte ein Bericht des WDR-Magazins „sport inside“ die Praxis der DEL-Klubs einem breiten Publikum bekannt. Wie viele Profis in den Sommermonaten Geld von der Arbeitsagentur beziehen, weiß niemand genau. Doch offenbar sind es einige: „Wir wissen aus unseren Agenturbefragungen, dass das offensichtlich eine gängige Praxis bei den Eishockeyvereinen ist“, sagte damals John-Philipp Hammersen, der Sprecher der Arbeitsagentur. Der Grund ist klar: Die Klubs sparen sich die Sozialabgaben für die Spieler.

Sommer 2013: Noch immer kommen einige ERC-Profis zum Stempeln. „Gehalt abwälzen auf die Allgemeinheit“, nennt Kundinger das. „Wir versuchen aber, das so weit wie möglich einzudämmen. Kanadier, die im Sommer für drei Monate zum Fischen fliegen, bekommen natürlich nichts“, erklärt Kundinger. Deshalb lohnt es sich, den Sommer in Ingolstadt zu verbringen: Ein unverheirateter, kinderloser Eishockey-Profi hat Anspruch auf den Höchstsatz von 1850 Euro plus Sozialleistungen. Wer verheiratet ist und ein Kind hat, dem stehen sogar knapp 2400 Euro zu. Bis zu drei Wochen Urlaub sind ebenfalls drin – sofern die Agentur keine Stelle anbieten kann, bei der der Eishockey-Profi mehr verdienen kann. Solche Angebote gibt es in der Realität jedoch kaum.

Beim ERC Ingolstadt hält man sich bedeckt. Geschäftsführer Karl-Heinz Schapfl stellt jedoch klar, dass einige Panther-Profis mit Jahresverträgen ausgestattet sind. Wenn ein Spieler einen solchen Vertrag wolle, sei der Klub grundsätzlich bereit dazu. Doch viele Spieler können mit einem Neun-Monats-Vertrag gut leben – zu verlockend ist das staatliche Zubrot.

Die Deutsche Eishockey-Liga reagiert genervt auf das Thema. Ligaweite Jahresverträge seien zwar wünschenswert, doch „wir können es den Klubs nicht aufzwingen“, sagt Kommunikationschef Matthias Schumann. Derartige Praktiken gebe es auch in anderen Branchen. „Schauspieler machen das auch nicht anders. Oder Lehrer in der Zeit der Sommerferien“, sagt Alexander Morel von der DEL.

Schumann pflichtet ihm bei. „Bei den Lehrern ist das allein quantitativ eine ganz andere Zahl“, sagt der Kommunikationschef der Liga. Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge meldeten sich im Sommer 2012 rund 5400 befristet angestellte Lehrer in Deutschland während der Sommerferien arbeitslos. Warum immer der Eishockeysport am Pranger stehe, versteht Schumann daher nicht. Außerdem seien viele DEL-Klubs inzwischen dazu übergegangen, ihre Spieler grundsätzlich mit Jahresverträgen auszustatten. „Das hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert“, sagt er.

Einer dieser Klubs ist der EHC München: Mit dem Einstieg von Red Bull hat der Verein aus der Isar-Metropole diese Praxis abgeschafft. Für Münchens Manager Christian Winkler ist es eine Frage der Professionalität. „Wir haben durchgehende Zwölf-Monats-Verträge. Keiner unserer Spieler muss mehr zum Arbeitsamt.“ Natürlich weiß auch Winkler, dass der EHC erst dank des Alleingesellschafters aus Österreich finanziell dazu in der Lage ist, seine Spieler das ganze Jahr über zu beschäftigen. Dennoch wünscht sich der 42-Jährige, dass in Zukunft alle Vereine die Saisonarbeit abschaffen. „Ich hoffe, dass unser Modell Schule macht. Bei vielen ist es aber auch nicht möglich.“

Den betroffenen Klubs macht er keine Vorwürfe. „Das ist ja nichts Falsches. Leider lässt es der Gesetzgeber zu, dass der Spieler zwischen den Saisons zum Stempeln gehen kann.“