Ingolstadt
"Jetzt beginnt eine neue Ära"

ERC-Sportdirektor Jim Boni lässt sich bei Trainersuche Zeit und hofft weiter auf ein Play-off-Finale

05.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:18 Uhr
Sportdirektor Jim Boni −Foto: Bernd Limmer

Ingolstadt (DK) Drei Tage Abstand brauchte Jim Boni (kleines Foto) nach dem Viertelfinal-K.-o. des ERC Ingolstadt. Dann war der Sportdirektor der Panther bereits wieder in seinem Element, sondierte Trainerkandidaten und führte die Saisonabschlussgespräche mit seinen Spielern. Ehe am Samstag nach der Feier mit den Fans in der Saturn-Arena die Sommerpause beginnt, zog der 49-Jährige im Interview mit unserem Redakteur Gottfried Sterner Bilanz und blickte bereits auf die neue Spielzeit.

 Herr Boni, wenn Sie sehen, dass ausgerechnet ERC-Angstgegner Adler Mannheim bereits aus den Play-offs ausgeschieden ist, ärgert es Sie da umso mehr, dass auch für die Panther im Viertelfinale Schluss war? 

Jim Boni: Ganz ehrlich, das interessiert mich überhaupt nicht. Wir sind ausgeschieden, fertig.

 

 Woran ist der ERC gescheitert? 

Boni: Der Hauptgrund ist, dass wir in den zehn Tagen Pause nach der Punktrunde nicht mit der gesamten Mannschaft trainieren konnten. Uns fehlten aufgrund von Verletzungen und Grippeerkrankungen sieben, acht Spieler auf dem Eis. Deswegen hatten wir in der Play-off-Serie gegen Krefeld am Ende nicht mehr genug Kraft.

 

 Trotzdem war die Chance aufs Halbfinale da. Was war der Knackpunkt in der Serie? 

Boni: Das zweite Auswärtsspiel. Da hatten wir viele Torchancen und konnten sie nicht nutzen. Mit einem Schnitt von zwei Toren pro Spiel hast du in den Play-offs nichts zu suchen. Und wenn man dann noch so viele Tore kassiert wie wir, kann man nicht weit kommen.

 

 Das Standardziel, der Einzug in die Play-offs, wurde wieder erreicht, aber gleichzeitig war im Viertelfinale Endstation. Wie fällt das Saisonfazit aus? 

Boni: Dass wir trotz der Verletzungsmisere die Play-offs erreicht haben, war für mich sensationell. Wir haben mit 14 Feldspielern in Hamburg, Köln oder Hannover wichtige Punkte geholt. Aber in den Play-offs auszuscheiden, ist immer eine Enttäuschung, egal wann. Dieses Jahr war es für mich aber nicht so schlimm, weil ich die Situation des Teams kannte. Im Vorjahr traf es mich härter.

 

 Aber tut es dieses Mal nicht besonders weh, weil Sie schon zu Saisonbeginn gesagt haben, das sei die beste Mannschaft, die Sie je in Ingolstadt gesehen haben? 

Boni: Das war vielleicht einer der Gründe, warum es nicht so gelaufen ist. Wir hätten während der European Trophy mehr Wert auf die konditionelle Arbeit legen sollen. Das werden wir sicher ändern, egal, wer der Trainer ist. Wir werden in der Vorbereitung viel intensiver arbeiten.

 

 Bedauern Sie Ihre Aussage während der European Trophy, weil Sie die Erwartungen geschürt haben? 

Boni: Nein, darum geht es nicht. Die Spiele haben mich einfach als Fan begeistert, nicht als Jim Boni. Die DEL ist eine Kampfliga. In der European Trophy herrscht eine andere Spielkultur. Aber man kann schön Eishockey spielen und trotzdem ein volles Programm in der Vorbereitung machen. Das ist die Grundlage für das ganze Jahr.

 Würden Sie im Rückblick etwas anders machen? 

Boni: Ehrlich gesagt, nein. Ich war hinter dem Trainer gestanden, bis es nicht mehr ging.

 

 Warum ging es mit Rich Chernomaz nicht mehr? 

Boni: Ganz einfach, weil es zwischen den Spielern und dem Trainer keine Reaktion mehr gab. Aber von Januar bis zu den Play-offs war das richtig lobenswert, was die Mannschaft gespielt hat.

 

 Haben Sie deswegen einen Großteil der Verträge mit den Spielern schon verlängert, weil die Mannschaft in dieser Phase gut gespielt hat? 

Boni: Ich habe gesehen, dass diese Spieler viel Charakter haben. Wir wollen Kontinuität und nicht mehr als vier, fünf Spieler tauschen. Es ist einfach, Spieler auszuwechseln, aber die Frage ist, was man dann zu welchem Preis bekommt. Man hat nicht immer das Glück, einen Sabolic zu erwischen.

 

 Sie haben bereits sieben Ausländer unter Vertrag. Wie wollen Sie die übrigen zwei Stellen besetzen? 

Boni: Wir suchen einen Stürmer und einen Offensivverteidiger. Es ist aber auch möglich, dass wir mit Periard verlängern. Die Frage ist, ob wir für das Geld, das der ERC zu zahlen bereit ist, etwas Besseres bekommen. Klubs wie Nürnberg, Köln oder München haben finanziell aufgerüstet. Wir werden nicht mehr den viert- oder fünfthöchsten Spieleretat haben, sondern sind jetzt auf Platz sieben oder acht.

 

 Mit welcher Strategie wollen Sie diesen Veränderungen begegnen? 

Boni: Wir müssen darauf nicht reagieren, wir sind gut gerüstet. Wir haben gute Deutsche unter Vertrag wie Greilinger, Hager, Gawlik oder den jungen Oblinger. Dazu haben wir durch glückliche Umstände mit Köppchen einen Topverteidiger bekommen.

 

 Auch Nationalverteidiger Benedikt Schopper soll ja n och dazukommen. Eine derart starke deutsche Fraktion gab es bisher nicht. Ist das der Weg der Zukunft? 

Boni: Das ist die Stärke unserer Mannschaft. Dazu können Hahn und Ross mehr. Damit sie wieder so produktiv sind wie in der vorigen Saison müssen sie aber defensiv besser spielen. Das war das Problem in dieser Spielzeit.

 

Das wird die Aufgabe des neuen Trainers?

Boni: Wir müssen unser Spiel ohne Scheibe verbessern. Und der Wille, Opfer zu bringen, noch mehr zu kämpfen, muss größer werden. Die Mannschaft ist dazu bereit und charakterlich in Ordnung. Das beste Beispiel war das letzte Spiel in Krefeld. Das Team hat an sich geglaubt und noch ein Heimspiel erzwungen. Leider hat uns das unglückliche Tor zum 2:4 das Genick gebrochen.

 

Sie waren nach vier Jahren Pause nun wieder drei Monate lang Trainer . . .

Boni: Ja, aber nur weil ich von der Mannschaft und Kapitän Bouck darum gebeten wurde.

 

Die Frage ist, ob Sie wieder Lust bekommen haben?

Boni: Nein, das ist abgeschlossen. Das war eine Ausnahmesituation. Und damit das auch noch einmal geklärt ist: Ich wollte aus persönlichen Gründen nicht mehr auf die Trainerbank. Ich habe das Team trainiert und ihm ein System gegeben, aber ich habe keine personellen Entscheidungen getroffen.

 

Jetzt suchen Sie also einen jungen, hungrigen Trainer?

Boni: Ja. Ob ich den bekomme, weiß ich nicht. Ich würde einen bevorzugen, der von außerhalb kommt, einen, der einen neuen Blick auf die Liga wirft. Ich habe auch schon Gespräche geführt, aber ich werde erst in fünf oder sechs Wochen eine Entscheidung treffen.

 

Sie haben aber auch gesagt Sie wollen keine Experimente mehr. Ist ein junger, unbekannter Trainer kein Experiment?

Boni: Nein, ich will damit sagen, dass ich keinen Trainer mehr wegen seines Namens oder seiner Vergangenheit verpflichten werde. Das meine ich mit Experiment. Ich muss beim nächsten Trainer das Gefühl haben: Ja, den will ich!

 

War das bei Rich Chernomaz nicht der Fall?

Boni: Ich bin zweieinhalb Jahre voll hinter Chernomaz gestanden. Aber der Trainer muss eine Philosophie haben, die passt. Er war der richtige Mann für die Zeit, in der wir ihn hatten. Aber jetzt beginnt eine neue Ära. Wir wollen jemanden, der frischen Wind reinbringt.

 

Wollen Sie einen jungen Jim Boni, so wie Sie 1999 zum ersten Mal zum ERC Ingolstadt gekommen sind?

Boni: Nein, nein, so einen nicht. Er muss schon etwas mehr Erfahrung haben. Aber ich will einen haben, mit dessen Philosophie ich leben kann und der zu uns passt. Wir müssen nicht mehr zu einem Trainer passen. Der ERC Ingolstadt ist kein kleiner Verein mehr und abhängig von einem Trainer. Die Mannschaft steht. Wir wechseln keinen Spieler mehr wegen eines Trainers aus. Das haben wir einmal bei Felix Schütz gemacht und wird nicht mehr passieren.

 

Die Spieler sind also wichtiger als der Trainer?

Boni: Das Trainergeschäft ist hart. Trainer müssen eine Spielkultur vermitteln und siegen. Wenn sie das nicht schaffen, müssen sie weg.

 

Wie wäre es mit einem deutschen Trainer?

Boni: Das ist schwierig, weil es wenige hochqualifizierte gibt. Würde ein deutscher FußballBundesligist denn einen kanadischen Trainer verpflichten? Wir leben in einer internationalen Welt, für mich zählt die Nationalität nicht, ich sehe nur gute und schlechte Spieler oder Trainer. Mein Ziel ist es, jemanden zu finden, der uns weiterbringt. Möglichst auch aus den eigenen Reihen heraus.

 

Sie meinen die eigene Nachwuchsarbeit?

Boni: Ja, Spieler wie Köppchen bekommen wir künftig nicht mehr, wenn München oder Nürnberg mitbieten. Wir müssen solche Spieler selbst entwickeln. Wir haben jetzt bei den Kleinst- und Kleinschülern die höchsten Ligen erreicht, das war zuvor nie der Fall. Die Knaben spielen in der Meisterrunde. In der neuen Saison kommt mit Markus Welz ein vierter hauptamtlicher Nachwuchstrainer dazu, wieder ein Ex-Ingolstädter. Da sind dann mit Petr Bares, Markus Hätinen und Terry Campbell Topleute am Werk, die alle für den ERC gespielt haben. Und wir haben mit dem 16-jährigen Christian Semmler ein tolles Talent. Der wird mit den Profis mittrainieren. Vielleicht spielt er in drei Jahren für Ingolstadt in der DEL. Das würde mich stolz machen.

 

Welche Ziele haben Sie noch?

Boni: Ich bin nicht nach Ingolstadt gekommen, um ein Halbfinale zu erreichen, sondern den Verein weiterzuentwickeln. Und da sind wir dabei, aber wir brauchen dazu auch etwas Geduld. Wenn ich den Verein verlasse, will ich etwas bewegt haben.

 

Gehen Sie dabei auch bewusst Risiken ein, beispielsweise mit dem Torwartduo Markus Janka/Timo Pielmeier?

Boni: Wir wünschen uns einen gesunden Wettbewerb. Ich sehe das nicht als Risiko. Janka spielt jedes Jahr über 20 Spiele. Pielmeier war in Nordamerika und wurde gut ausgebildet. Sicher muss er sich in der DEL erst eingewöhnen. Aber ich habe ihn selbst sechsmal beobachtet. Er ist ein frecher Kerl und sehr hungrig. Ich finde das positiv, denn das braucht man, wenn man sich durchsetzen will. Ich traue ihm das zu.

 

Wollen Sie auch den Ingolstädter Stephan Daschner zurückholen?

Boni: Für seine Entwicklung war es besser, dass er von uns weggegangen ist. Die Tür ist offen, aber für eine Rückkehr ist es zu früh. Er muss reifen und das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen.

 

Der Weg geht aber dahin, mehr mit jungen Spielern zu arbeiten?

Boni: Ja, und zwar bei den Deutschen und Ausländern. Sabolic ist ein gutes Beispiel, da stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. Solchen Leuten wollen wir eine Chance geben. Und bei meiner nächsten Scoutingtour werde ich mich verstärkt an nordamerikanischen Colleges umsehen.

 

Sie haben einmal gesagt, Sie wollen mit 50 aufhören. Im Juni ist es so weit.

Boni: Ja, das stimmt. Im Oktober, wenn mein Vertrag ausläuft, werde ich gut überlegen, ob ich noch ein Jahr dranhänge. Ich will etwas gewinnen, aber ich muss realistisch bleiben. Mir persönlich tut es weh, in den Play-offs auszuscheiden. Ich will Eishockeyspielen bis zum letzten Spiel und gewinnen.

 

Wenn Sie mit dem ERC keine Meisterschaft gewinnen, aber ein Ingolstädter aus dem eigenen Nachwuchs in der DEL spielen würde, wäre das auch ein Erfolg?

Boni: Das wäre toll und viel Wert. Für manche wäre das sogar mehr, als einen Titel zu gewinnen. Aber ich will auch in der DEL um die Wurst spielen.

 

Wenn das in Ingolstadt nicht möglich ist, suchen Sie dann in der DEL eine neue Herausforderung?

Boni: Ich kann mir nicht vorstellen, bei einem anderen Verein in Deutschland zu arbeiten. Das wird nicht passieren. Es gab Angebote, auch letztes Jahr. Aber mein Herz ist weiß und blau. Ich möchte beim ERC einfach noch erleben, ein bisschen länger in den Play-offs zu spielen. Die Chance war immer da, aber wir brauchen einfach mal etwas Glück.