Ingolstadt
Freunde fürs Leben

09.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

Gut erholt und angriffslustig: ERC-Trainer Doug Shedden ist bereit für möglichst lange Play-offs mit den Panthern. - Foto: Seibert/kolbert-press

Ingolstadt/Mannheim (DK) Sie stammen aus derselben Stadt, sind seit 40 Jahren befreundet und treffen ab Mittwoch als Trainer im Play-off-Viertelfinale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) aufeinander: Bill Stewart mit den Adlern Mannheim und Doug Shedden mit dem ERC Ingolstadt.

In der Garage des Elternhauses von Douglas Arthur Shedden muss es einst ziemlich lustig zugegangen sein. "Meine Mutter ließ meinen Vater nicht im Haus trinken und rauchen, und das tat er wirklich gerne und oft. Also ging er in die Garage. Mit der Zeit verwandelte sich die in eine Bar, die in meinem Heimatort ziemlich bekannt wurde", erzählt Shedden, der in Barrie in der kanadischen Provinz Ontario aufgewachsen ist, mit einem Lachen.

Vor allem für die lokale Eishockey-Gemeinschaft mutierte die Shedden'sche Garage in der Stadt 90 Kilometer nördlich von Toronto zum Treffpunkt. Das lag zum einen an der lockeren Atmosphäre und den alkoholischen Getränken, zum anderen offenbar an den Entertainer-Qualitäten von Shedden senior. "Mein Vater war ein lustiger Kerl, der viele Geschichten auf Lager hatte", erinnert sich Shedden junior.

Einer der regelmäßigen Zuhörer war ein gewisser William Donald Stewart, der es wie der vier Jahre jüngere Doug Shedden zum Eishockey-Profi in der nordamerikanischen Profiliga NHL bringen sollte. "Wir hatten den gleichen Freundeskreis und hingen mit denselben Leuten ab", erinnert sich Stewart, den die Eishockey-Welt nur als Bill kennt. Es war der Beginn einer engen Freundschaft.

Im Winter standen sich Mittelstürmer Shedden und Verteidiger Stewart in der besten Liga der Welt als Gegner gegenüber, im Sommer spielten sie zum Spaß jeden Abend gemeinsam in ihrer Heimat. "Wir hatten beide Sommerhäuser in der Nähe und sind oft zusammen dorthin gefahren. Wir hatten immer viel Spaß und haben auch verrückte Dinge gemacht, die junge Leute so machen", erinnert sich Shedden grinsend. "Es gibt ein paar Geschichten, über die man nicht sprechen sollte", ergänzt Stewart lachend, ehe er die jugendfreien Aktivitäten aufzählt: "Wir haben viel Golf gespielt und gefischt und auch das eine oder andere Bier zusammen getrunken."

Längst sind aus den beiden jungen Eishockeyspielern, die beide in die Sportler-Ruhmeshalle ihrer Heimatstadt aufgenommen wurden, zwei erfolgreiche Trainer geworden. Die stehen sich nun 40 Jahre später ab kommenden Mittwoch in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gegenüber: Shedden (56) trifft mit dem ERC Ingolstadt im Play-off-Viertelfinale auf die Adler Mannheim, die von Stewart (60) trainiert werden. "Ich habe bis zu diesem Jahr noch nie als Trainer gegen ihn gecoacht, weil wir nie in derselben Liga unterwegs waren", sagt Shedden. "Aber ich weiß natürlich, wie er spielen lässt", beschreibt er die besondere Brisanz dieses Duells unter Freunden, die sich trotz unterschiedlicher Lebenswege und Stationen nie aus den Augen verloren haben.

Stewart ließ seine Spielerkarriere Anfang der 90er-Jahre in Italien ausklingen und heuerte im Jahr 2000 erstmals bei den Adlern in der DEL als Coach an. Shedden arbeitete nach einigen Jahren in unterklassigen Ligen Nordamerikas als Trainer in Finnland und der Schweiz, ehe er kurz vor Weihnachten 2017 einen Vertrag bei den Panthern unterschrieb. Erfolgreich waren beide: Stewart führte Mannheim 2001 zum deutschen Meistertitel, Shedden wurde Vizemeister mit Jokerit Helsinki und dem HC Lugano und holte mit der finnischen Nationalmannschaft WM-Bronze. "Er hatte Erfolg, wo immer er war, dafür gebührt ihm Respekt", lobt Shedden seinen Kumpel.

Auch ihr enormer Ehrgeiz und der Hang zur handfesten Auseinandersetzung eint die beiden: Shedden lieferte sich in seinen Anfangsjahren als Coach eine wüste Prügelei mit seinem Gegenüber Greg Puhalski, Stewarts Boxkampf mit dem damaligen Berlin-Capitals-Trainer Pavel Gross vor 17 Jahren gilt bis heute als einer der aufsehenerregendsten Skandale in der DEL-Geschichte und brachte ihm die Spitznamen "Psycho-Bill" und "Kill Bill" ein.

In der bevorstehenden Serie ist derlei nicht zu befürchten - schließlich sind die einstigen Hitzköpfe älter und besonnener geworden. Unter den Freunden herrscht im Vorfeld nicht einmal Funkstille: "Wir haben uns zuletzt ein paarmal geschrieben und auch telefoniert", sagt Shedden. "Einer von uns wird ins Halbfinale kommen. Man hasst es, zu verlieren, aber wenn schon, dann wenigstens gegen einen Freund. Dann freue ich mich für ihn, und ich bin sicher, dass er dasselbe tut." Stewart stimmt zu: "Möge der beste Mann gewinnen!"

Eine Wette haben die Freunde vor dem Viertelfinale nicht abgeschlossen. "Dafür ist Bill zu geizig", scherzt Shedden. Doch ob sich die Panther oder die Adler durchsetzen - eines steht jetzt schon fest: Stewart und Shedden werden hinterher gemeinsam ein Bier trinken. Wie einst in der Garage ihrer Heimatstadt.