Ingolstadt
Die Torflut bleibt aus

Vom vergrößerten Angriffsdrittel erhoffte sich die Deutsche Eishockey-Liga mehr Treffer – bislang vergeblich

19.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

Die Torfabrik der Liga steht in Ingolstadt: Der ERC - hier Aaron Brocklehurst beim 1:0 am Sonntag in Mannheim - hat in 18 Spielen schon 70-mal getroffen, häufiger als jedes andere Team in der DEL. Ligaweit fielen jedoch nicht mehr Tore als im Vorjahr - trotz größerer Angriffsdrittel - Foto: Ruffler/P-I-X.org

Ingolstadt (DK) Es war eine kleine Regel-Revolution: Vor der aktuellen Saison beschloss die DEL, die Angriffs- und Verteidigungsdrittel jeweils um 1,53 Meter zu vergrößern. Viele Experten versprachen sich dadurch mehr Tore, vor allem im Powerplay. Bislang ist das nicht eingetreten – außer beim ERC.

Nicht nur Augsburgs Trainer Larry Mitchell hatte mehr Spektakel vor dem gegnerischen Torhüter prophezeit: „Besonders in Überzahl wird es für die Stürmer leichter werden, zu kombinieren und einen Schützen freizuspielen“, sagte der 47-Jährige vor der Saison. Ein Trugschluss?

134 Spiele haben die 14 Klubs in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) bislang absolviert und dabei 780 Tore geschossen. Das ergibt im Schnitt 5,82 Treffer pro Partie. Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres waren es 777 Tore in 135 Spielen (Schnitt 5,76) – ein minimaler Unterschied. In Überzahl ergibt sich nach dem 18. Spieltag ein ähnliches Bild: Einem Schnitt von 1,6 Powerplay-Toren pro Spiel in der Saison 2013/14 stehen heuer 1,64 Treffer mit einem Mann mehr auf dem Eis gegenüber. Mehr Strafzeiten sind dabei nicht zu verzeichnen. Zusammengefasst: Die größere Angriffsfläche bedeutet nicht zwangsläufig, dass mehr Tore fallen.

Die Partien des ERC Ingolstadt bilden eine Ausnahme. Die Panther haben mit 70 Treffern die meisten aller DEL-Klubs erzielt, mit 61 Gegentreffern allerdings auch die fünftmeisten kassiert. Wenn der Deutsche Meister spielt, zappelt der Puck durchschnittlich 7,28-mal im Netz. „Bei uns fallen viele Tore, weil wir attraktiv fürs Publikum spielen wollen. Das hat die Liga noch nicht verstanden“, witzelt Kapitän Patrick Köppchen.

Am neuen Regelwerk liegt das aber offenbar nicht. „Um ehrlich zu sein, ich als Stürmer kann keinen Unterschied feststellen“, sagt Jared Ross. „Die Verteidiger haben mehr Zeit, doch für uns Angreifer ist das Spiel nicht anders geworden.“ Vielleicht seien die Auswirkungen in der nordamerikanischen Profiliga NHL größer – dort wird auf einer kleineren Eisfläche als in Europa gespielt.

Verteidiger Köppchen bestätigt den Eindruck seines Teamkollegen. „Der Unterschied ist nicht so groß wie gedacht“, sagt 34-Jährige. Zwar hätten die Abwehrspieler bei Unterzahl in der eigenen Zone jetzt mehr Zeit, den Puck per Befreiungsschlag zu klären. „Die Stürmer sind aber clever und stellen die Schusswege gut zu.“ Bei eigener Überzahl stehen die Verteidiger an der gegnerischen Blauen Linie vor einem anderen Problem: Sie sind nun weiter vom Tor entfernt – das macht es für die Torhüter leichter, sich richtig zu positionieren. ERC-Goalie Timo Pielmeier bestätigt das: „Ich habe im Powerplay mehr Zeit, mich zu stellen.“

In der DEL gebe es laut Köppchen daher nur noch wenige Verteidiger, die einen Torhüter bei freier Sicht mit einem Schuss von der Blauen Linie bezwingen können. „Ich muss jetzt aufpassen, dass meine Schüsse überhaupt ankommen“, scherzt der Berliner. Die Härte sei jedoch nicht so wichtig – entscheidend sei es, Stürmer vor dem gegnerischen Torhüter zu postieren, die diesen irritieren.

Beim ERC klappt das nach Anfangsschwierigkeiten inzwischen gut. „Ich werde nicht alle Geheimnisse verraten“, sagt Trainer Larry Huras schmunzelnd. Doch auch der Kanadier wird nicht müde zu betonen, dass abgefälschte Schüsse, Zweikämpfe vor dem Tor und die Sichtbehinderung des gegnerischen Goalies unerlässlich für den Erfolg sind. „Bei 70 oder 80 Prozent aller Treffer war Verkehr vor dem Tor“, sagt Huras.

In einem Punkt sind sich alle ERC-Profis und ihr Trainer einig: Das Spiel ist schneller geworden. Auch dank des Hybrid Icing, das den Schiedsrichtern erlaubt, einen unerlaubten Weitschuss nicht mehr zwingend abzupfeifen. „Die Konter sind viel schneller. Und wir wollen noch schneller werden“, gibt Huras die Richtung vor. Den torverwöhnten Panther-Fans soll es recht sein.