Ingolstadt
Die Fäuste bleiben vorerst unten

ERC-Neuzugang Sean O’Connor schuftet nach einer schweren Schulterverletzung für sein Comeback

07.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:11 Uhr

Einsamer Kampf um das Comeback: ERC-Neuzugang Sean O’Connor darf nach seiner Schulteroperation bisher nur ein Reha-Programm absolvieren - Foto: G. Sterner

Ingolstadt (DK) Sean O’Connor hat ein sonniges Gemüt. Er lacht und scherzt, obwohl ihm gar nicht danach zumute ist. Seit Monaten quält den Deutsch-Kanadier eine Schulterverletzung – zunächst mit Schmerzen, danach mit erzwungener Untätigkeit. Beim ERC Ingolstadt hofft er auf ein baldiges Comeback.

Der 31-jährige Neuzugang von den Augsburger Panthern strampelt seit einigen Tagen wie wild auf dem Fahrrad. Viel mehr ist noch nicht drin, und trotzdem – O’Connor ist voller Optimismus. „In drei Wochen stehe ich auf dem Eis. Die Ärzte sagen, dass der Heilungsprozess schneller verläuft als gedacht“, sagt der Stürmer und sehnt den Tag seines ersten Eistrainings herbei.

Es ist nicht so, dass O’Connor Verletzungen aus der Bahn werfen – er ist Kummer gewohnt. Mittlerweile herrscht Großalarm, wenn der 1,92 Meter große Mann mit der Figur eines Baumstamms am Flughafen bei der Sicherheitskontrolle auftaucht. Platten im Gesicht, Schrauben in der Schulter, der Lockenkopf trägt einige Ersatzteile in seinem Körper mit sich herum. „Ich hatte schon viele Verletzungen an den Knien, am Handgelenk, der linken Schulter, einen Kiefer- und Jochbeinbruch, von der Nase will ich gar nicht reden“, zählt O’Connor auf, „aber so schlimm wie dieses Mal war es noch nie.“

Ausgerechnet im Nostalgie-Spiel in der Münchner Olympiahalle am 30. Dezember 2011 ist es passiert, als der AEV vor 11 000 Zuschauern beim EHC mit 0:5 unterlag. Das rechte Schultereckgelenk war gesprengt, dazu die Bänder ramponiert. Trotzdem spielte der in Phoenix/Arizona lebende Eishockey-Profi bis zum Saisonende weiter. „Nur kämpfen konnte ich nicht mehr richtig. Ich musste den Arm eng am Körper anlegen und konnte die Faust nicht mehr hochhalten“, erzählt O’Connor.

Ein paar Tage vorher sah das noch anders aus. Da stürzte sich der damalige Kapitän der Augsburger Panther nur wenige Sekunden nach dem Eröffnungsbully auf den Ingolstädter Jeremy Reich und verwickelte diesen in einen Faustkampf – Punktsieger O’Connor. „Das habe ich gemacht, weil die Mannschaft damals eine ganz schlechte Phase hatte und lange kein Spiel mehr gewonnen hatte. Da wollte ich das Team mit dieser Aktion wachrütteln“, sagt O’Connor und erinnert sich genau an den Ablauf. „Ich habe unseren Trainer nur gefragt, ob Reich in der Startformation steht, dann stand mein Entschluss fest, weil ich wusste, dass Reich mitmachen würde.“

Wenige Tage später ging nichts mehr. „Ich musste vor jedem Spiel gespritzt werden und hatte irrsinnige Schmerzen. Aber ich wollte das Team nicht im Stich lassen“, erklärt der Deutsch-Kanadier rückblickend. Nach der Saison musste O’Connor einen Monat warten, ehe er von einem Schulterspezialisten in Los Angeles operiert wurde. Acht Wochen musste O’Connor seinen Arm in einer Schlinge tragen, an Training jedweder Art war nicht zu denken. „Ich bin so froh, dass ich wieder etwas tun kann, auch wenn es fast lächerlich klingt. Momentan darf ich an der Schulterpresse im Rehazentrum nämlich erst 1,5 Kilo pro Arm wegdrücken, früher waren es 50 Kilo oder mehr“, sagt O’Connor. „Und die Faust kann ich immer noch nicht hochnehmen. Aber dafür haben wir ja genug große Jungs im Kader, die mich da unterstützen können“, meint der Hüne mit einem Augenzwinkern.

Der Schalk sitzt dem Spieler, der von seiner Physis lebt, also schon wieder im Nacken. Das mussten auch seine Teamkameraden Tim Conboy und Christoph Gawlik erfahren. Die beiden haben ihn nämlich im Training mit Wasser übergossen, O’Connor revanchierte sich damit, dass er die Klamotten der Übeltäter auf das Eis legte, mit Wasser übergoss und festfrieren ließ. „Ich habe ja viel Zeit, wenn ich auf dem Fahrrad sitze. Das ist furchtbar langweilig, da fallen mir solche Sachen ein.“

O’Connor, der in seiner Familie mit einem Bruder und zwei Schwestern der Kleinste und sportlich vorbelastet ist – Vater Michael war Vizepräsident des kanadischen Rugbyverbandes, Mutter Karin eine alpine Skifahrerin im Team Kanada – kann also ein recht belebendes Element im Panther-Team werden, wenn er wieder auf dem Eis steht. Auch wenn die Fäuste wohl noch eine Weile unten bleiben müssen.