Wolfsburg
Abgas-Manipulation gedeckt?

Neue Vorwürfe gegen Ex-VW-Chef Winterkorn Staatsanwalt: Kein Beschuldigter

25.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Wolfsburg/Berlin (DK) Wer wusste wann was über die Fälschung der Abgas-Werte von Millionen VW-Diesel-Autos? Laut einem Zeitungsbericht gibt es neue Vorwürfe gegen Ex-Vorstandschef Winterkorn. VW aber betont, konkrete Hinweise lägen nicht vor. Ein wichtiger Ermittler sieht das ähnlich.

Vor dem Bekanntwerden der Abgas-Affäre soll der frühere VW-Konzernchef Martin Winterkorn einem Bericht zufolge von Manipulationen gewusst und diese zunächst gedeckt haben. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" wurde der Manager bereits Ende Juli 2015 von Entwicklern über illegale Software in der Abgas-Technik unterrichtet - knapp zwei Monate, bevor VW die Nutzung eines solchen Programms am 20. September auf massiven Druck der US-Behörden hin öffentlich einräumen musste. Der Konzern wollte dazu keine Stellungnahme abgeben.

Aus Kreisen des Aufsichtsrats hieß es, dass es bei der jüngsten Sitzung am vergangenen Freitag keine konkreten Hinweise auf eine mögliche Mitschuld auf Vorstandsebene gegeben habe. Auch fast ein Jahr nach dem Beginn der Ermittlungen sei keine E-Mail, Protokollnotiz oder sonstige Handá †habe aufgetaucht, die die Firmenspitze handfest belasten würde, hieß es aus dem Umfeld der Kontrolleure. Immer mehr dränge sich die Frage auf, warum das interne VW-Kontrollsystem derart versagte und sich der Abgas-Betrug jahrelang fortsetzen konnte.

"Bild am Sonntag" beruft sich auf ein ihr vorliegendes Papier mit dem Titel "Zulassung Diesel USA". Winterkorn soll demnach die "Vorgehensweise" bestätigt haben, zwei VW-Mitarbeiter das brisante Thema bei einem Gespräch in den USA nur "teilweise" offenbaren zu lassen. Belege für eine direkte Anweisung des Managers nennt die Zeitung indes nicht. Dass Winterkorn von Manipulationen gewusst habe, ergebe sich aus Zeugenaussagen. Er selbst habe sich dem Blatt gegenüber nicht dazu geäußert.

Klar ist aber, dass die kalifornische Umweltschutzbehörá †de CARB schon weitaus früher - ab etwa 2008 - Zweifel an der Abgas-Reinigung der Vierzylinder-Diesel von VW hatte. Nach massiven Vorhaltungen gegenüber VW und Audi startete der Konzern schließlich im Dezember 2014 einen freiwilligen Rückruf von Tausenden Diesel-Fahrzeugen zwecks Änderung der Software zur Motorsteuerung. Die CARB war danach allerdings mit den Stickoxidemissionen immer noch nicht zufrieden, was VW am 8. Juli 2015 auch mitgeteilt wurde. Anfang September gab VW dann gegenüber den US-Behörden den Abgas-Betrug zu. Am 23. September trat Winterkorn als VW-Konzernchef zurück. Gegenüber der mit der internen Aufklärung des Skandals beauftragen US-Großkanzlei Jones Day gegenüber sagte Winterkorn laut "Bild am Sonntag" aus, ihm sei zum Zeitpunkt der internen Information nicht bewusst gewesen, dass es sich um Betrug handelte - sonst hätte er eingegriffen.

Die Staatsanwaltschaft Brauná †schweig prüft unter anderem Vorwürfe des Betrugs und der Marktmanipulation - Letzteres auch gegen Winterkorn persönlich. Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe sagte der dpa zu dem Bericht über "Vertuschung" im Abgas-Skandal: "Herr Winterkorn hat nach wie vor nicht den Status eines Beschuldigten im Diesel-Verfahren. Sollte sich das im Rahmen der fortdauernden Ermittlungen noch ändern, werde ich es mitteilen."

Die Ermittler wollen auch herausfinden, wie tief VW-Ingenieure in den Skandal verwickelt sind. Die "Bild am Sonntag" berichtete ohne Angabe von Quellen, dass verdächtigen Technikern für Schuldeingeständnisse geringe Strafen versprochen worden seien, Bewährung und Geldbußen von bis zu 150 000 Euro. Ziehe verneinte dies: "Wir sind nicht auf einem orientalischen Basar - wir ermitteln in einem rechtsstaatlichen Verfahren."

Streit gibt es inzwischen auch um die Frage, ob Akten aus Verfahren rund um den VW-Skandal in den USA vor Gerichten in Europa verwendet werden dürfen. VW und der Zulieferer Bosch wollen das unterbinden. Die mehr als 20 Millionen Seiten an Datenmaterial dürften nicht Klägern in europäischen Streitigkeiten zugänglich gemacht werden, forderten ihre Anwälte - inklusive der VW-Töchter Audi und Porsche - in Anträgen, die am Wochenende beim zuständigen US-Gericht in San Francisco eingingen. Bosch hatte Software an Volkswagen geliefert, die vom Autobauer auch für den Abgas-Betrug genutzt wurde.

Die Unternehmen wollen damit verhindern, dass das Material, das von Ermittlern im US-Rechtsstreit zusammengetragen wurde, etwa auch für die am Landgericht Braunschweig gebündelten Anlegerklagen genutzt werden kann. "Eine Partei in einem deutschen Zivilrechtsstreit unterliegt keiner generellen Pflicht, alle relevanten Fakten und Beweismittel umfassend offenzulegen", erklärte dazu ein Audi-Vertreter.