Ingolstadt
"Wir wollen keine transparenten Bürger"

Ein neues elektronisches Zahlungsmittel soll die Privatsphäre schützen

23.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:03 Uhr

Ingolstadt (DK) Bargeldloses Bezahlen wird immer populärer. Ein großes Problem bei Online-Transaktionen ist allerdings der Datenschutz. Ein Projekt namens "Taler" macht sich nun daran, ein bargeldloses Zahlungssystem zu entwickeln, das die Privatsphäre schützt und trotzdem besteuerbar ist.

Wer nicht möchte, dass sein Einkauf nachvollziehbar ist, der bezahlt einfach mit Bargeld. Bei größeren Summen könnte das in Zukunft aber vielleicht nicht mehr möglich sein. Im Moment ist eine Bargeldobergrenze in der Diskussion. Bargeldzahlungen sollen nur noch bis zu einer Höhe von 5000 Euro erlaubt sein. Auch der 500-Euro-Schein könnte bald Geschichte sein. Die Folge: Größere Transaktionen wären dann immer nachvollziehbar. Bei Käufen im Internet ist dies sowieso schon die Regel. Ein Team um den IT-Experten Christian Grothoff (Foto) will bald eine Alternative anbieten: eine Art elektronisches Bargeld für das Internet. Ein System, das den Spagat schaffen soll, die Privatsphäre zu wahren, gleichzeitig aber illegalen Geschäften nicht Tür und Tor öffnet.

"Unser Ziel war nicht zu überlegen, wie wir reich werden", sagt Grothoff. "Wir haben uns gefragt, wie ein ethisches Zahlungsmittel der Zukunft aussehen könnte." Zum einen soll es die Privatsphäre schützen. "Wir wollen keine transparenten Bürger, die überallhin verfolgt werden können", sagt der 39-Jährige. Umgekehrt soll es ein Zahlungsmittel sein, das auch nicht für illegale Zwecke verwendet werden kann, also beispielsweise für Drogen- oder Waffenkäufe. "Wir wollen auch nicht, dass der Staat gar keine Kontrolle mehr hat." Im Klartext: Man soll zwar anonym bezahlen können, aber nicht anonym Geld bekommen können. "Niemand, der im Internet einen Zeitungsartikel oder eine Kleinigkeit im Laden um die Ecke kauft, soll sich ausweisen müssen."

Bereits 2014 hat Grothoff mit der Arbeit an dem Projekt begonnen. Ausgangspunkt war ein Seminar, das er an der Technischen Universität (TU) München anbot: "Das Zahlungsmittel war eines der Themen auf einer Liste für die Kursteilnehmer." Mit zwei cleveren Studenten begann er schließlich, die Idee in die Realität umzusetzen.

Das "Taler"-System soll im Alltag einfach zu nutzen sein. Der Kunde überweist einen bestimmten Betrag in seine digitale Geldbörse - mit diesem Geld kann er dann im Netz bezahlen. Was im Hintergrund passiert, ist sehr komplex. Verschlüsselungstechnik soll das System sehr sicher machen. Und eben die Privatsphäre schützen. "Technisch ist es nicht möglich nachzuvollziehen, wo ein Kunde etwas gekauft hat", sagt Grothoff. Der Kunde hätte dadurch Vorteile: "Wenn ich mich nicht ausweisen muss, dann reicht ein Mausklick, um zu bezahlen."

Für den Verkäufer ist zwar die Identität des Käufers nicht ersichtlich - Informationen, etwa über das gekaufte Produkt, sind dagegen einsehbar. So besteht für Regierungen die Möglichkeit, vom Verkäufer Steuern zu erheben. Steuerhinterziehung und Schwarzmarktgeschäfte sollen so verhindert werden.

Natürlich muss sich auch dieses System irgendwie finanzieren. Bei Transaktionen werden Gebühren fällig. Die kann wie meist bei Kreditkartenbezahlungen der Händler übernehmen, muss er aber nicht. Letzten Endes wird die Gebühr meist sowieso auf den Preis eines Produkts aufgeschlagen. Allerdings, so glaubt Grothoff, könnten die Gebühren des "Taler" niedriger sein, als die von bereits verwendeten Systemen. Zum einen, weil das System sehr effizient sei und so nur ein geringer Verwaltungsaufwand entstehe. Außerdem handele es sich um freie Software und Wettbewerb sei sogar gewünscht. Und der Entwickler betont, dass man mit dem "Taler" kein Bezahlmonopol anstrebe: "Es soll niemanden geben, der das dann kontrolliert."

Für den Nutzer sei das "Taler"-System sehr sicher, weil es äußerst resistent gegen Betrug sei. Werde man gehackt, weil man etwa seinen Computer nicht genug schütze, dann sei der Schaden stark begrenzt. Verschwinden könne nur der Betrag in der virtuellen Geldbörse - und nicht das Geld, das man auf dem Konto hat.

Unterstützt wird das Projekt unter anderem von der Stiftung "Erneuerbare Freiheit" von DONAUKURIER-Verleger Georg Schäff. Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, individuelle und kollektive Freiheitsrechte zu schützen, insbesondere im Bereich der digitalen Gesellschaft.

Wann der "Taler" an den Start geht? Grothoff kann es noch nicht genau sagen. Von technischer Seite brauche man noch ein rund halbes Jahr. Doch es gebe noch einige Unwägbarkeiten, etwa auf finanzieller Seite. "Wir sind noch auf der Suche nach Investoren", sagt Grothoff. Ebenso müsse man noch das regulatorische Umfeld weiter ausloten und rechtliche Fragen klären. ‹ŒFoto: oh