Ingolstadt
"Sehr hohe Chancen, zu gewinnen"

Der Anwalt eines der ersten klagenden VW-Käufer über eine mögliche Klagewelle vor deutschen Gerichten

07.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Ingolstadt (DK) Auch in Deutschland reichen im Zuge des Abgas-Skandals mittlerweile die ersten VW-Käufer Klage gegen den Autobauer ein. In Freiburg etwa klagt der Eigentümer eines Golf GTD, Baujahr 2010. Vertreten wird der Mandant durch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer in Lahr. Wir haben mit Rechtsanwalt Ralph Sauer (Foto) über die Hintergründe gesprochen.

Herr Sauer, Volkswagen hat bereits Nachbesserungen angekündigt, wieso haben Sie für Ihren Mandanten nun dennoch Klage eingereicht?

Ralph Sauer: Mit der Nachbesserung – wenn sie denn überhaupt möglich ist – wird sicherlich nicht alles erledigt sein. Was passiert zum Beispiel in der Zeit, in der das Fahrzeug in der Werkstatt ist? Übernimmt VW die Kosten für ein Ersatzfahrzeug? Außerdem soll die Nachbesserung frühestens im Januar beginnen – in dieser Zeit können bereits bei dem ein oder anderen die Gewährleistungsrechte auslaufen. Dazu kommt das Thema Wertverlust: Es ist mit Sicherheit so, dass die Diesel-Fahrzeuge von VW im Wiederverkauf nicht mehr so optimal stehen wie bislang.

 

Was ist Ihr Ziel?

Sauer: Bei dieser Klage will der Kläger Folgendes feststellen lassen: Volkswagen soll ihm alle entstandenen Schäden und wirtschaftlichen Nachteile ersetzen, die auf ihn durch die Abgas-Manipulation zukommen. Wenn etwa ein möglicher Käufer zu ihm sagt: „Das ist eines der betroffenen Fahrzeuge und ich zahle dir 2000 Euro weniger als in der Liste“, dann wäre das so ein Fall.

 

Solche Beträge sind aber doch sehr schwer messbar.

Sauer: Das ist richtig. Aber dafür gibt es ja die Feststellungsklage. Im deutschen Recht gibt es die Möglichkeit, wenn ich weiß, dass ein schädigendes Ereignis im Raum steht – und das ist nunmal sicher –, ich eine Klage darauf erheben kann, dass alle damit einhergehenden Schäden vom Schädiger zu ersetzen sind. Auch, wenn die genauen Umfänge heute noch nicht bekannt sind.

 

Wie viele Geschädigte haben sich bei Ihnen bislang gemeldet?

Sauer: Ich kann es im Moment nicht ganz genau sagen, weil ständig neue dazukommen. Aber bislang waren es rund 200. Wir werden bei allen, bei denen es notwendig ist, Klage erheben. Möglicherweise kommt Volkswagen ja auch zu der Überzeugung und sagt: Wir erkennen das auch außergerichtlich an.

 

Aber im Prinzip wären das 200 einzelne Klagen.

Sauer: Genau. Aber ich rechne noch mit wesentlich mehr.

 

Eine deutschlandweite Klageflut?

Sauer: Wenn bei 2,8 Millionen betroffenen Fahrzeugen nur fünf Prozent der Besitzer klagen, dann wären das 140 000 Verfahren. Dann kann sich hochrechnen, wie die Gerichte damit klarkommen.

 

Wann geht es vor Gericht los?

Sauer: Das hängt auch von der Situation bei den Gerichten ab. Sie dürfen nicht vergessen: Es stellt sich ja schon die Frage: Ist ein Richter bereits befangen, wenn er selbst ein entsprechendes Fahrzeug fährt? Außerdem hängt das davon ab, wie die einzelnen Gerichte das organisieren möchten, denn die rechnen ja auch mit einer Klageflut. Möglich wäre es, eine Art Sonderabteilung einzurichten, die diese Fälle gebündelt behandelt. Bleibt alles wie bislang, rechne ich in etwa drei Monaten mit der ersten mündlichen Verhandlung.

 

Wie schätzen Sie Ihre Erfolgschancen ein?

Sauer: Nachdem VW die Manipulationen bereits eingestanden hat, sehen wir sehr sehr hohe Chancen, zu gewinnen.

 

Das Interview führte

Sebastian Oppenheimer.

Foto: Privat