Ingolstadt
Mit Hightech den Fehlern auf der Spur

27.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:38 Uhr

Foto: DK

Im Auto hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten - doch auch in den Werkstätten und in der Qualitätssicherung wird das Thema immer wichtiger. Bei Audi will man damit vor allem Zeit sparen - denn das spart am Ende auch eine Menge Geld.

Schon mal vom "Fugen-Ferdl" gehört? Wer nur entfernt mit dem Autobauer Audi zu tun hat, dürfte selbstverständlich wissen, dass es sich dabei um Ferdinand Piech handelt, einst Audi-Chef, später Volkswagen-Vorstand und noch später Aufsichtsratschef. Jener Piech, der als besessen von der Minimierung von Spaltmaßen galt, und - in Zeiten als man noch Schieblehren einsetzte - mit den Grundstein für die hohe Qualitätsanmutung legte, für die Audi heute noch steht. Doch die Herausforderungen sind inzwischen stark gestiegen. Vor allem die Vielzahl der Modelle, macht die Arbeit der Qualitätssicherung alles andere als einfach. Auch die komplexen Blechformen und die unzähligen elektronischen Bauteile, die mit dem Rest harmonieren müssen, bedeuten einen hohen Aufwand. Damit das alles überhaupt noch zu bewältigen ist, setzt man bei Audi verstärkt auf Digitalisierung.

2800 Mitarbeiter umfasst die Qualitätssicherung bei Audi - die Zentrale sitzt in Ingolstadt. Eines der Hauptziele: Fehler immer früher entdecken. Mit jeder Stufe der Wertschöpfung vergrößern sich die Kosten eines Fehlers um den Faktor zehn - das haben sie bei Audi ausgerechnet. Einen großen Schritt hat der Ingolstädter Autobauer mittlerweile am sogenannten Meisterbock gemacht.

 

Virtuelles Fügen

Am Meisterbock werden die einzelnen Bauteile eines Autos vor dem Produktionsstart zusammengefügt - und anschließend optimiert. Am Ende steht in der Halle sozusagen das "Urmaß" eines Autos - ihm sollen alle später produzierten Fahrzeuge nach Möglichkeit exakt entsprechen. Noch bis vor wenigen Jahren habe man die Arbeit am Meisterbock frühestens zwölf Monate vor Serienstart beginnen können, berichtet Marcus Hoffmann, bei Audi Leiter Meisterböcke und Messtechnik. "Heute können wir bereits zweieinhalb Jahre vor Fertigungsbeginn unsere Arbeit aufnehmen - dank der Digitalisierung." Diese "zusätzlich" investierte Zeit, spart am Ende nicht nur eine Menge Geld, sondern trägt auch dazu bei, dass Zeitpläne besser eingehalten werden.

Mithilfe des sogenannten "virtuellen Fügens" können CAD-Daten von Teilen bereits am Computer miteinander verbunden werden. Fallen hier schon Fehler auf, lassen sich diese noch relativ einfach beheben - vor allem aber kostet das kaum etwas. Am Ende bringt die Digitalisierung eine "signifikant bessere Hardware" hervor, sagt Hoffmann, mit der die Mitarbeiter am Meisterbock schließlich die "reelle" Arbeit beginnen. Heißt also, die Teile passen beim ersten Zusammenbau schon wesentlich besser zusammen als früher.

 

Photometrie-Zelle

42 Messanlagen mit einer Messgenauigkeiten von mehr als 0,1 Millimeter stehen in den Hallen der Meisterbock-Mannschaft. Zu den neuesten Errungenschaften zählt eine Photometrie-Messzelle. Sie ist in etwa so groß wie eine Doppelgarage. Zwei Roboterarme erfassen dabei mit hochauflösenden optischen Sensoren gleichzeitig die Geometrie und die Oberfläche einer Karosse. Will man eine komplette Karosse digitalisieren, verkürzt sich die Zeit damit von 48 auf vier Stunden. 20 Millionen Messpunkte mit einem Abstand von 0,16 Millimeter werden gespeichert - mit der bisherigen taktilen Messmethode waren es 6000 Messpunkte. Am Ende entsteht ein Datenvolumen von 100 Gigabyte pro Karosse. "Früher brauchte man dafür Großrechner", sagt Hoffmann. Heute geht das mit mehr oder weniger handelsüblichen PCs.

Pro neuem Modell mussten bislang bis zu zehn Meisterböcke aufgebaut werden - erst dann passte alles so, dass sie das Ergebnis bei Audi für ausreichend exakt empfanden. Das Ziel in Zukunft: Mit der Unterstützung durch digitale Technik irgendwann nur noch einen Meisterbock aufbauen zu müssen. Allerdings ist auch heute noch nicht immer nur pures Messen und Mathematik gefragt. Manchmal zählt auch das menschliche Augenmaß noch mehr als Computerdaten: So ist die obere Fuge des Tankdeckels etwas schmaler als die untere, damit die beiden von der üblichen Betrachtungsweise von oben gleich aussehen.

 

Geräusche aufspüren

Doch nicht nur bei der Entstehung des Produkts spielt bei Audi die Digitalisierung eine immer größere Rolle. Auch die Technik der Werkstätten wird kräftig aufgerüstet. Auch hier geht es in erster Linie darum, Fehler schneller und gezielter zu finden. Neu ist etwa ein Gerät, das verdächtigen Geräuschen auf die Spur kommt - beziehungsweise der Werkstatt hilft, den Fehler aufzuspüren.

Früher habe man die auftretenden Geräusche einfach beschrieben, erklärt ein Audi-Mitarbeiter. Im Deutschen sei das noch relativ einfach, weil die Sprache eine recht exakte Beschreibung zuließe. Im Italienischen etwa heiße jedes Geräusch einfach "suono" - das Wort für Geräusch.

Bislang war für die Fehlersuche in erster Linie ein gutes Gehör gefragt. Gelegentlich konnte man zur Hilfe auch noch ein Stethoskop einsetzen. Damit konnte man spezielle Bauteile exakter abhören. Während der Fahrt ging das allerdings natürlich nicht. Deswegen hat man sich bei Audi etwas neues einfallen lassen.

Aus dem neuen Gerät führen drei Kabel, an deren Enden sich Sensoren befinden, die sich mit Magneten - oder im Notfall mit Kleber - an verschiedensten Bauteilen festmachen lassen. Die drei Sensoren zeichnen nun während einer Probefahrt Geräusche an verschiedenen Stellen im Auto auf. So lassen sich die Geräusche leichter zuordnen. Der große Vorteil: Parallel werden Fahrdaten über den OBD-Stecker ausgelesen. So kann man später nicht nur nachschauen, wann man mit welcher Drehzahl fuhr, sondern auch auf einer Karte sehen, wo man unterwegs war.

Anbringen lassen sich die Sensoren etwa im Fahrwerk, am Getriebe, an der Sitzschiene oder am Motor. Manchmal, erklärt ein Audi-Mitarbeiter seien sich Kunden sicher, das Geräusch komme von hinten - am Ende stelle sich dann heraus, das Problem sitze Vorderachse. Seit Mitte vergangenen Jahres werden die ersten Geräte an Werkstätten ausgeliefert.

 

Elektronikfehler finden

Ein ähnliches Gerät haben Audi-Ingenieure für die Suche nach Elektronikfehlern entwickelt. Zeitweise wandern bis zu 12 000 Bus-Signale gleichzeitig durch das Auto. Und es sollen noch viel mehr werden: Nähmen digitale Dienste weiter zu, schätzen die Audi-Experten, dass es bis zu 100 000 gleichzeitige Signale werden könnten. Es wird also deutlich komplexer. Wenn nun etwa das Radio zeitweise ausfällt, ist es unglaublich schwer, den Fehler zu lokalisieren. Hier hilft eine Smartphone-App, die über den OBD-Stecker während einer Probefahrt permanent mit Fahrzeugdaten gefüttert wird. So lässt sich danach anhand der Kurven genau sehen, was, wann, wo gestreikt hat - und der Fehler wird schneller gefunden.

Das Ziel ist, künftig im Idealfall drohende Probleme schon im Vorfeld zu erkennen - und etwa dann bei einem Standard-Service entsprechend einzugreifen, und so einen größeren Schaden zu verhindern. Dazu muss natürlich die Messtechnik permanent an Bord sein. Die Marschrichtung ist daher, die Technik so weit zu miniaturisieren, dass sie das Auto permanent überwachen kann. ‹ŒDK