Grasse
Der Duft der Luxuslimousine

30.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr

Grasse (DK) Im neuen Audi A8 gibt es auf Wunsch eine Beduftungsanlage. Die Düfte dafür haben Spezialisten aus der "Parfümhauptstadt" Grasse kreiert. Wir haben die sogenannten "Nasen" an ihrer Wirkungsstätte besucht.

Wenn der Lastwagen kommt, muss es schnell gehen. Denn er hat eine wertvolle Ladung an Bord: eine Tonne Rosenblüten. Es ist die letzte Lieferung für diesen Sommer, die Rosensaison ist zu Ende. Zügig laden die Arbeiter die Säcke ab und wiegen sie. Dann schütten sie den wohlriechenden Inhalt für die Destillation in riesige Metallbottiche. Was herauskommt, ist ein Liter sogenanntes Absolut - eine hoch konzentrierte Duftflüssigkeit. Der Wert: rund 30 000 Euro. Es ist nur einer von vielen natürlichen Duftstoffen, die die Firma Robertet hier im französischen Grasse produziert. Auch Parfüms werden hier kreiert - deswegen hat sich Audi für die Komposition der beiden Düfte für den neuen A8 auch an die Experten aus Grasse gewandt.

"Nasen" nennt man hier in der "Parfümhauptstadt" Grasse liebevoll die Parfümeure. Ein Beruf, der einen außergewöhnlichen Geruchssinn voraussetzt. Es gibt nicht viele Menschen, die in der Lage sind, allein mit ihrer Nase mehrere tausend Rohstoffe zu unterscheiden. Doch das ist die Voraussetzung, um duftende und teils auch seltsam riechende Substanzen so zu kombinieren, dass ein wohlriechendes Parfüm entsteht. Nur wenn Kopf-, Herz- und Basisnote perfekt harmonieren, kann ein erfolgreiches Produkt herauskommen. Die besten "Nasen", sagen Eingeweihte, verdienen fast so viel wie die Firmenchefs.

Die Beduftungsanlage wird ein aufpreispflichtiges Extra im neuen A8, der am 11. Juli in Barcelona auf dem "Audi Summit" vorgestellt wird. Zugegeben: Ganz neu ist die Idee nicht. Die Mercedes S-Klasse hat so etwas schon seit einigen Jahren an Bord. Und auch im BMW 7er kann man sich per Knopfdruck verschiedene Düfte um die Nase wehen lassen.

Wie komplex die Kreation eines Duftes ist, zeigt sich, wenn man mit Leslie Girard spricht. Die 32-Jährige mit dem Pagenschnitt war für den A8-Sommerduft zuständig: "Acqua Summer". Girard gibt ihren Düften gerne eine mediterrane Note, und die hat auch der A8-Duft bekommen. Nach Sommer und Meer soll es damit im Auto riechen. Für den Audi-Duft hat sie sich auch von einem zweijährigen China-Aufenthalt inspirieren lassen. "Die Chinesen bevorzugen leichte und florale Noten", sagt Girard. Vielleicht hilft ihr Duft dem Autobauer ja sogar, weitere Käufer im Reich der Mitte zu gewinnen.

Girards Arbeitgeber ist Robertet, ein Parfümölhersteller, der sich auf natürliche Riechstoffe spezialisiert hat - und auch Düfte komponiert. Das Unternehmen hat weltweit 1800 Angestellte und ist mit 800 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in der 50 000-Einwohner-Stadt Grasse. Knapp eine halbe Milliarde Umsatz hat Robertet im vergangenen Jahr gemacht.

Für den Winterduft namens "Cool Blue" war Serge de Oliveira zuständig. Sein Duft zeichnet sich durch eine Piniennote aus. Der 34-Jährige arbeitet ebenfalls bei Robertet und hat unter anderem bei einem der Superstars der Parfümeur-Szene gelernt: Michel Almairac. Schon im Alter von zwölf Jahren wollte de Oliveira Parfümeur werden. Die Alternative wäre ein Job in der Autoindustrie gewesen. Doch weil de Oliveira außergewöhnliches Talent als "Nase" bescheinigt wurde, blieb es bei Plan A. Umso mehr freute es ihn nun, einen Duft für ein Auto zu kreieren. "Ich konnte hier meine beiden Interessen zusammenbringen", sagt er.

Neben einer traditionellen Produktionsstätte - in der etwa die Rosenblüten destilliert werden - betreibt Robertet in Grasse auch noch eine moderne und hochautomatisierte Fabrik mit Hightech-Labors und Robotern. Ein schwerer, blumiger Duft erfüllt die Luft der Hallen. Sobald man ein paar Schritte geht, verändert sich der Geruch. Nur die Intensität bleibt gleich stark. 7500 verschiedene Rohmaterialien werden hier in riesigen Hochregallagern aufbewahrt. Hunderte bunte Metallfässer und Plastikkanister stehen fein säuberlich aufgereiht. Sie alle sind mit Schläuchen zu einem Leitungssystem verbunden. Über Druckluft kann der Computer die Flüssigkeiten heraussaugen und eine Etage tiefer in Metalleimern zusammenmischen. Manches wird auch noch von Hand gemixt.

Natürlich wollen die Audi-Ingenieure die Beduftung besser gestalten als die Konkurrenz. Deswegen werden die Duftkartuschen im A8 nicht im Handschuhfach installiert. Der volle Platz dort sollte erhalten bleiben, erklärt der für das "Air Quality Paket" verantwortliche Ingenieur, Karsten Belz. Die Beduftungseinheit ist - für den Kunden unsichtbar - links neben der Lenksäule platziert.

Die Stärke der Beduftung lässt sich in vier Stufen regeln. Austauschen kann die Parfümbehältnisse nur die Fachwerkstatt. Alle zwei Jahre sollen die Düfte beim normalen Service erneuert werden. So lange soll die Duftflüssigkeit auf jeden Fall reichen. Lasse man die Beduftung für 50 Stunden auf der höchsten Stufe laufen, rechnet Belz vor, verpuffe dabei gerade einmal ein Prozent der Flüssigkeit.

Bei Audi kalkulieren sie in Sachen Beduftung mit einer Einbaurate von rund 50 Prozent. Vermutlich wird die Technik demnächst auch in niedrigeren Klassen Einzug halten.

Auf längeren Fahrten rät Belz, höchstens auf Stufe eins oder zwei zu "beduften". Stellt man das Auto ab, läuft das Gebläse noch zwei Minuten weiter. Das sei eine Art "nachspülen", erklärt Belz. "Das Auto soll ja nicht parfümiert werden." ‹ŒDK