Ingolstadt
Auf Crashkurs

Audi-Chef Rupert Stadler legt sich mit Verkehrsminister Dobrindt an und gerät weiter unter Druck

02.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:00 Uhr
Audi-Chef Rupert Stadler −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Nach neuen Betrugsvorwürfen gegen Audi weitet die Staatsanwaltschaft München ihre Ermittlungen gegen den Autobauer aus. Unterdessen gerät auch Audi-Chef Rupert Stadler unter Druck. In der VW-Spitze sei man verärgert über ihn, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur.

Der "Spiegel" zitierte am Freitag einen Vertreter der Arbeitnehmerseite im VW-Aufsichtsrat mit den Worten: "Wir werden über diesen Vorgang mit Herrn Stadler im Aufsichtsrat zu reden haben.“ Gegenüber der dpa hieß es, natürlich müsse über das Thema gesprochen werden. "Eine ständige Kritik an Einzelpersonen hilft aber auch nicht weiter." Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am Donnerstag bekannt gegeben, dass Audi eine "unzulässige Abgas-Software" in den Oberklassemodellen Audi A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren verwendet habe. Damit weitete sich der Abgas-Skandal beim VW-Konzern erneut aus.

Audi-Vorstandschef Stadler steht wegen seiner Rolle bei der Aufarbeitung des Abgas-Skandals bereits länger in der Kritik. Dennoch war sein Vertrag vor Kurzem erst um weitere fünf Jahre verlängert worden. Der "Spiegel" schrieb, die VW-Aufsichtsräte hätten den Versicherungen Stadlers geglaubt, dass Audi den Abgas-Skandal sauber aufgeklärt habe.

Der Audi-Chef kritisierte am Freitag Bundesverkehrsminister Dobrindt: "Dass Herr Dobrindt allein vorprescht, hat mich persönlich sehr enttäuscht", sagte Stadler der Branchenzeitung "Automobilwoche". "Wir sind alle zwei Wochen beim Kraftfahrtbundesamt und erstatten Bericht. Bei 24 000 Autos in Europa haben wir Auffälligkeiten gefunden. Diese Informationen haben wir den Behörden mitgeteilt. Dies und das weitere Vorgehen wollten wir gemeinsam kommunizieren", sagte Stadler. Dass die Behörden illegale Software "entdeckt" hätten, sei das falsche Wort. "Wir selbst drehen jedes Steinchen um."

Im Herbst 2015 war der VW-Abgas-Skandal ans Licht gekommen, die Affäre hat ihren Ursprung in den USA. Daraufhin waren Nachprüfungen bei Autoherstellern eingeleitet worden. Stadler hatte erst im März gesagt, bei Audi alles auf den Prüfstand zu stellen.

Bei den nun bekannt gewordenen Fällen handelt sich um eine sogenannte Lenkwinkelerkennung in den Fahrzeugen. Diese sorgt dafür, dass die Autos im normalen Fahrbetrieb auf der Straße deutlich mehr Stickoxide (NOx) ausstoßen als auf dem Prüfstand und die Grenzwerte überschreiten.

Audi will mit dem Rückruf der rund 24 000 betroffenen Fahrzeuge voraussichtlich im Juli beginnen, wie das Unternehmen erklärt hatte. 14 000 dieser Autos sind in Deutschland zugelassen, der Rest in anderen europäischen Ländern. Der Bund will nun weitere Fahrzeuge des VW-Konzerns mit ähnlichen Motoren untersuchen lassen.

Unterdessen weitete die Münchner Staatsanwaltschaft ihre Betrugsermittlungen gegen Audi aus, wie ein Sprecher am Freitag sagte. Dabei geht es nun auch um Fahrzeugverkäufe in Deutschland und Europa, nicht nur wie bisher in den USA. Mitte März hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung eingeleitet. Dabei ging es zunächst um Abgas-Manipulationen in den USA.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kommentierte die neue Entwicklung mit den Worten: "Ich erwarte von allen Autoherstellern, dass sie sich endlich ehrlich machen." Die deutschen Hersteller sollten ihre technologische Kompetenz in die Entwicklung von umweltfreundlicheren Fahrzeugen stecken und nicht "auf Tricksereien richten".

Dass künftig noch mehr Ungereimtheiten ans Licht kommen, ist nicht ausgeschlossen. Nach Angaben von Audi werden Schritt für Schritt alle Motorvarianten in den verschiedenen Modellen geprüft - und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. "Das ist eine Menge Arbeit", sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage unserer Zeitung. "Denn es gibt unheimlich viele Varianten. Wir sind ein gutes Stück weiter, aber es ist noch Arbeit zu tun." Dabei arbeite man eng mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zusammen.

Im konkreten Fall, den A8 und A7 mit V6- und V8-Diesel-Motoren, sei nur eine kleine Stückzahl mit einer ganz speziellen Motor-Getriebe-Kombination von den Unregelmäßigkeiten betroffen, sagte der Sprecher weiter. Konkret geht es um 24 000 Fahrzeuge - das sind etwa zehn Prozent aller - sowohl Diesel als auch Benziner - in den Jahren 2009 bis 2013 produzierten A7 und A8.

Über das Kraftfahrt-Bundesamt werden nun alle Halteradressen ermittelt, jeder Besitzer angeschrieben und in die Werkstatt gebeten, um eine neue Software aufzuspielen. "Nach einer halben Stunde kann man wieder nach Hause", erklärt der Audi-Sprecher. Was dieser Rückruf kostet, dazu wurden keine Angaben gemacht.