Roth
Große Themen bei großer Hitze

Bundes- und Landtagskandidaten diskutieren im Rother Jugendheim über Familie, Bildung und Gerechtigkeit

20.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:00 Uhr

Wahlkampf im Hochsommer: Von Michael Heberling (Mitte) moderiert, diskutieren Tom Aurnhammer, Marlene Mortler, Christian Nürnberger und Laszlo Riedl (von links) im Rother Jugendheim über zwei Stunden vor allem gesellschaftliche Themen und äußern dabei zum Teil sehr persönliche Ansichten. - Foto: Messingschlager

Roth/Hilpoltstein (HK) Wacker gegen die Hitze angekämpft haben die Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Mittwochabend im katholischen Jugendheim in Roth. Von den angekündigten Themen Familienpolitik, Ökologie und Lebensschutz bewältigten sie allerdings nur das erste.

Es mag nun der Hitze geschuldet sei, dass dem Podium mit den Bundestagskandidaten Tom Aurnhammer (Grüne), Marlene Mortler (CSU) und Christian Nürnberger (SPD) sowie dem Schwabacher Landtagskandidaten Laszlo Riedl (FDP) – Ersatz für Marina Schuster, die bei Barack Obama in Berlin weilte – reger Zuspruch verweigert blieb, allerdings zeigte die Bürgerversammlung tags zuvor, dass die Massen auch bei Hitze strömen – sofern das Thema den Nerv trifft. Und das tun vier Kandidaten drei Monate vor der Wahl offensichtlich nicht, auch wenn sie über Themen diskutieren – und der eine oder andere auch entscheidet –, die erheblich lang-fristiger und gravierender unser Leben beeinflussen als ein Super-markt mehr oder weniger.

Zum Beispiel, welche Rolle künftig der Familie in der Gesellschaft zukommt. Moderator Michael Heberling konfrontierte die Kandidaten dazu mit einer brandaktuellen Verlautbarung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die besagt, es zähle nicht die Form der Familie, sondern die Werte. Ein Statement, das vor allem Marlene Mortler ins Trudeln brachte, die im Übrigen wie die beiden anderen Bundestagskandidaten auch evangelisch ist. „Ist das meine Kirche“, fragte sie. Sie lebe das traditionelle Familienbild und werde auch künftig für den Schutz von Familie und Ehe eintreten.

Die Familie sei für ihn ein Wert, sagte Nürnberger. „Aber die christliche Ehe kann man niemanden aufoktroyieren.“ Familie sei der erste Ort für die Erziehung eines Kindes. „Kümmerer müssen da sein, dann ist das gleich, wer das ist und wie sie zusammenleben.“ Als einen „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnete Aurnhammer das Papier. Durch die Gleichstellung verschiedener Lebensformen werde niemandes Erziehungsauftrag in Misskredit gebracht. Durch die Öffnung der Ehe würde man niemandem etwas wegnehmen, ergänzte FDP-Mann Riedl.

Besonders kampfbereit zeigt sich die CSU, wenn es um das Betreuungsgeld geht, ein Thema bei dem es vom Partner FDP längst keine Unterstützung mehr gibt. „Das Betreuungsgeld fehlt an anderer Stelle, beispielsweise bei den Kitas“, erklärte Riedl. Ein kompletter Fehlschuss ist es für die Grünen: „Das Betreuungsgeld zeigt doch deutlich, dass gut gemeint das Gegenteil von gut ist“, sagte Tom Aurnhammer. „Das Gesetz gehört revidiert, das passt nicht in unsere Zeit.“ Christian Nürnberger legte den Finger vor allem in die Wunde Sozialbiografien. „Eine Kita ist besser, als wenn das Kind gar nicht erzogen wird, nur so durchbrechen wir Sozialhilfedynastien.“ Auf großes Raunen auf dem Podium und auch bei vielen Zuhörern stieß die von Marlene Mortler ins Feld geführte „Wahlfreiheit“, für die das Betreuungsgeld stehe. Die habe man erst dann, wenn es ein hochwertiges Angebot gebe, entgegnete Laszlo Riedl.

Die klassische Frontstellung Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün ergab sich, als die Rede auf die Bildung kam. Während Marlene Mortler („Bayern ist in einer herausragenden Position“) und Laszlo Riedl („Das System kommt unterschiedlichen Bedürfnissen entgegen“) die Schulpolitik lobten, kam von der anderen Seite heftige Kritik. „Wir haben ein Chaos, aus dem niemand mehr herauskommt“, sagte Christian Nürnberger. Er wolle keine Turboschule, sondern eine Schule, wo Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen. Auch verwies er darauf, dass Deutschland ständig von der OECD gerügt werde, dass hier Bildung wie kaum woanders von der Herkunft abhängig sei.

Sprich, wer aus privilegierten Verhältnissen kommt, wird seine Privilegien vermutlich noch mehren können. Übertragen auf die gesamte Gesellschaft heißt dies schlicht: Wer reich ist, wird noch reicher. „Die Schere geht immer weiter auseinander“, sagte Moderator Michael Heberling. Nur bedingt sah das Marlene Mortler so: „Auch wir wollen, dass es gerecht wird, aber ich wehre mich dagegen, unser Land schlecht zu reden. Wir sind doch ein Land, zu dem andere sagen, da wollen wir hin.“ Zudem habe der Armutsbericht gezeigt, dass in Bayern die Schere wieder zusammengehe. Nürnberger nannte diesen Bericht allerdings „geschönt“.

Beim Thema Gerechtigkeit beteiligten sich auch die Zuhörer rege. Dabei spannte sich der Bogen vom bedingungslosen Grundeinkommen über Vertafelung der Gesellschaft, Minijobs und Leiharbeit bis hin zur Transaktionssteuer. Wobei den Kandidaten ein bedingungsloses Grundeinkommen eine zu radikale Lösung wäre. Zudem störte sich Nürnberger „als Sozialdemokrat“ daran, Menschen zu alimentieren. „Ich bin zu pragmatisch, um das auf die Tagesordnung zu setzen“, sagte Tom Aurnhammer. Minijobs eindämmen, Bürgerversicherung, mehr Gerechtigkeit seien die aktuellen Themen.

Eine erstaunliche Konstellation ergab sich bei der Transaktionssteuer. Am meisten machte sich dafür Marlene Mortler stark: „Das ist unser Ding.“ Etwas zurückhaltender formulierte Christian Nürnberger: „Die macht es etwas gerechter, stellt aber die Gerechtigkeit nicht her.“ Pragmatisch blieb Tom Aurnhammer: „Es gibt keine einfache, schnelle Lösung für die Finanzmärkte.“ Nein danke, sagte Laszlo Riedl: „Die Transaktionssteuer zahlen doch nur die Pensionsfonds und Kleinanleger und nicht die Großaktionäre.“ Nichts zu machen, sei allerdings nichts anderes als eine „Kapitulation vor den Finanzmärkten“, rügte ihn Nürnberger für diese Aussage.

Mehrfach genannt wurde von den Zuhörern auch der Wunsch, dass die Politik bei elementaren Fragen über Parteigrenzen hinaus den Konsens suchen und auf Machtspiele verzichten solle. Folgt man der Antwort von Laszlo Riedl, wird das wohl ein Wunsch bleiben. „Das ist kein Machtspiel, sondern unterschiedliche Auffassungen, die ein Zusammenkommen verhindern.“ Das Schlusswort nach gut zwei Stunden gehörte dann Domkapitular Alois Ehrl, der für die Diskussionsrunde mitverantwortlich zeichnete: „Ohne Zusammenwirken geht es nicht.“