London
Migration soll begrenzt werden

Brexit: Geheimes Dokument enthüllt rigide Pläne der britischen Regierung

06.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr

London (DK) Großbritannien erwägt scharfe Einreisebeschränkungen für EU-Bürger nach dem Brexit. Das enthüllt ein geheimes Dokument aus dem Innenministerium, das der linksliberalen Zeitung "Guardian" zugespielt wurde und gestern für großes Aufsehen in London sorgte.

Denn erstmals verrät hier die britische Regierung, wie sie sich die Immigration nach dem Brexit vorstellt.

Bei dem Papier handelt es sich um einen 82 Seiten umfassenden "offiziellen Entwurf", der als "sensitiv" gestempelt und mit August 2017 datiert ist. Er wurde von Beamten des Innenministeriums für Theresa May erstellt und soll zu Spaltungen innerhalb des Kabinetts geführt haben. Denn die teils kompromisslosen Vorschläge, die das Papier enthält, könnten die von London gewünschte Regelung für den Übergang nach dem EU-Austritt im März 2019 unterlaufen. Zudem widersprechen sie kürzlichen Aussagen des britischen Finanzministers Philip Hammond und von Innenministerin Amber Rudd über ein möglicherweise recht liberales Einwanderungs-Regime.

Ziel der Pläne ist demnach das "Ende der rechtebasierten, bedingungsfreien Freizügigkeit" und der Beginn einer gesteuerten Immigration, die nachdrücklich britische Interessen priorisiert. "Einfach ausgedrückt bedeutet das", heißt es in dem Dokument, "dass Immigration, um für das Land als Ganzes wertvoll erachtet zu werden, nicht nur den Migranten nützt, sondern auch die Einwohner besserstellt."

So soll nach dieser "Großbritannien-zuerst-Strategie" die Verbindung zwischen Einwanderung und dem Niederlassungsrecht gebrochen werden: Künftig soll es für Geringqualifizierte nur noch einen Aufenthalt von maximal zwei Jahren geben, während besser Ausgebildete zwischen drei und fünf Jahren bleiben dürfen. Britische Unternehmen würden angewiesen, bei der Einstellung britische Bewerber zu bevorzugen. Die Zahl der EU-Einwanderer soll durch eine Verdienstschwelle, ein Anforderungsprofil und eine Quotenregelung beschränkt werden. Auch den Familiennachzug wollen die Pläne erschweren. Nur Lebenspartner, Kinder unter 18 Jahren sowie erwachsene Unterhaltsberechtigte dürften dann noch nachfolgen.

Noch sind die Pläne nicht offizielle Politik, denn hinter den Kulissen wird darum gerungen, Teile davon liberaler zu gestalten, nicht zuletzt, weil die Wirtschaft auf die Arbeitskraft von EU-Ausländern dringend angewiesen ist. Doch Premierministerin Theresa May gilt als Hardlinerin, wenn es um die Einwanderung geht. Sie, die vor ihrem Sprung zur Chefin der Regierung dem Innenministerium vorstand, hat als Ziel vorgegeben, dass die Netto-Einwanderung in Großbritannien, die zur Zeit bei einer knappen Viertelmillion liegt, auf unter 100 000 Zuzügler im Jahr gedrückt werden muss. Viele Parteifreunde und Ökonomen halten das für illusorisch.

So ist es nicht überraschend, dass Brexit-Hardliner die Pläne begrüßen. Lord Green, Gründer der Organisation "Migrationwatch UK", sprach von exzellenten Neuigkeiten. Londons Bürgermeister Sadiq Khan bezeichnete die Pläne dagegen als "eine Blaupause wie man unsere Wirtschaft abwürgt". Auch die Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses Yvette Cooper verurteilte das Dokument und beschuldigte die Regierung, nicht auf unabhängige Stellen zu hören. Der Streit könnte dazu führen, dass May ihre Grundsatzrede, die für den 21. September vorgesehen war, verschieben muss.