Berlin
"Sanktionen sind dummes Zeug"

Alt-Bundeskanzler Schmidt äußert Verständnis für den russischen Präsidenten Putin und eckt damit in Berlin an

27.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:53 Uhr

Berlin (DK) Sein Wort hat immer noch Gewicht bei vielen Deutschen. Seine Reden werden aufmerksam verfolgt. Seine Bücher sind stets Bestseller, und für viele ist er eine Art Überkanzler, ein Staatsmann und Weltökonom, wie sie ihn sich auch heute noch an der Spitze der Bundesregierung wünschen würden: Helmut Schmidt ist laut Umfragen in den Augen der Deutschen der bedeutendste Bundeskanzler.

Jetzt hat sich der 95-Jährige in die Debatte über die Ukraine-Krise eingeschaltet: Die Äußerungen des SPD-Politikers, das Vorgehen von Russlands Präsident Wladimir Putin und der Anschluss der Halbinsel Krim seien „durchaus verständlich“, und seine Kritik am Vorgehen des Westens in der Krise stoßen in Berlin aber auf große Empörung.

Scharfer Widerspruch kam etwa von den Grünen. „Es bleibt Helmut Schmidt unbenommen, sich in Putin hineindenken zu wollen, aber man muss nicht gleich Verständnis für etwas zeigen, nur weil es innerhalb der Putin’schen Logik stimmig ist“, kritisierte Grünen-Chef Cem Özdemir. „Maßstab ist das internationale Recht und das hat Putin verletzt.“ „Kein Kommentar“, lässt Angela Merkel über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten: „Der Alt-Bundeskanzler hat seine persönliche Meinung geäußert, die ich nicht zu kommentieren habe.“

Erst Gerhard Schröder, dann SPD-Ikone Egon Bahr, der Architekt der Ostpolitik Willy Brandt, und jetzt Alt-Kanzler Schmidt – immer wieder zeigen führende Sozialdemokraten Verständnis für Putins Kurs in der Krim-Krise und kritisieren das Krisenmanagement der Europäer und der Bundesregierung. Eine Offensive der „Putin-Versteher“? Auch die deutsche Wirtschaft warnt vor Sanktionen und sucht weiter das direkte Gespräch mit Russlands Führung: Siemens-Chef Joe Kaeser etwa traf sich am Mittwoch demonstrativ im Kreml mit dem russischen Präsidenten.

Die von der EU und den USA beschlossenen Sanktionsstufen gegen Russland nannte Schmidt in einem Interview mit der von ihm mit herausgegebenen Wochenzeitung „Die Zeit“ „dummes Zeug“. Wirtschaftssanktionen hält der SPD-Politiker für nicht zielführend. Sie hätten allenfalls symbolische Bedeutung, „treffen den Westen genauso wie die Russen“. Der frühere Regierungschef wirbt für Diplomatie und Dialog: „Es wäre ideal, sich jetzt zusammenzusetzen. Es wäre jedenfalls dem Frieden bekömmlicher als das Androhen von Sanktionen“, lauten sein Rat und seine Warnung. Die Situation sei gefährlich, „weil sich der Westen furchtbar aufregt“.