Berlin
Hohe Gesundheitsausgaben, durchschnittliche Lebenserwartung

OECD-Studie zur medizinischen Versorgung stellt Deutschland ein durchwachsenes Zeugnis aus

10.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr

Berlin (DK) Gesundheitsrepublik Deutschland? Kaum ein anderes Land gibt so viel Geld für die medizinische Versorgung seiner Bürger aus, und in kaum einem anderen Land gibt es mehr Krankenhäuser und Ärzte pro Einwohner. Bei der Lebenserwartung sind die Deutschen dennoch nur im Mittelfeld, wie der am Freitag vorgestellte Ländervergleich "Health at a Glance" der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergibt.

Hintergründe zu der OECD-Studie über Gesundheitsausgaben und -risiken in Deutschland und den 34 anderen OECD-Mitgliedsstaaten:

Leben die Deutschen kürzer als ihre Nachbarn?

Wer jetzt in Deutschland geboren wird, hat eine Lebenserwartung von 80,7 Jahren. Das sind zehn Jahre und einen Monat mehr als 1970 und liegt nahe am OECD-Durchschnitt von 80,6 Jahren, aber unter dem EU-Durchschnitt. In Spanien und der Schweiz etwa werden die Menschen 83 Jahre alt. Kürzer als in Deutschland leben die Bürger in den östlichen EU-Staaten.

Worauf ist das

zurückzuführen?

Bei den wichtigsten Risikofaktoren schneidet die deutsche Bevölkerung schlecht ab: Mit elf Litern reinem Alkohol pro Jahr trinken die über 15-Jährigen hierzulande deutlich mehr. In Schweden, Griechenland oder Italien trinken die Menschen gut zweieinhalb Liter Alkohol weniger pro Jahr. Auch beim Rauchen liegt die Quote in Deutschland mit 21 Prozent der Erwachsenen über dem OECD-Schnitt. Als dritten Faktor haben die OECD-Experten die Fettleibigkeit ausgemacht. Fast jeder vierte Erwachsene (23,6) hierzulande ist fettleibig. Der OECD-Schnitt liegt bei 19,4 Prozent.

Wie steht Deutschland bei den Gesundheitsausgaben und dem -angebot da?

Sehr gut. 11,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden für die Gesundheit ausgegeben, unter allen OECD-Ländern sind es nur in der Schweiz (12,4 Prozent) und in den USA (17,2 Prozent) mehr. Der Durchschnitt liegt bei neun Prozent. Aber sowohl in der Schweiz als auch in den USA müssen die Patienten selbst deutlich mehr für ihre Behandlung bezahlen als in Deutschland. In der Bundesrepublik müssten "sehr wenige Patienten" aus Kostengründen auf eine Behandlung verzichten, notiert die OECD. Die Quote von 8,1 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner liegt um 70 Prozent über dem Durchschnitt. Auch stehen der bundesdeutschen Bevölkerung überdurchschnittlich viele Ärzte und Krankenpfleger zur Verfügung, 4,1 beziehungsweise 13,3 pro 1000 Einwohner, im OECD-Durchschnitt sind es nur 3,4 Ärzte und neun Krankenpfleger.

Das Gesundheitssystem ist gut ausgestattet, aber ist es auch effizient?

Nein, die OECD stellt ein durchwachsenes Zeugnis aus. Viel zu häufig würden Patienten ins Krankenhaus eingewiesen, obwohl auch ambulant behandelt werden könne, heißt es in dem Bericht, das gelte gerade für chronisch Kranke. Die Mandeln lassen sich in Deutschland nur vier von hundert Patienten ambulant entfernen, in Finnland gehen dafür nur vier von hundert Patienten ins Krankenhaus. Beim Ersatz von Knie- und Hüftgelenken und bei Herzgefäß-Erweiterungen sei die Zahl der Operationen viel zu hoch, moniert die OECD. Kurzum: Es gibt zu viele Klinken und Krankenhausbetten. Allerdings gibt es auch gute Noten. So liegt die Überlebensrate bei Darmkrebs in Deutschland deutlich über dem OECD-Durchschnitt.

Vor welchen besonderen Herausforderungen steht das Gesundheitssystem?

Deutschland hat eine der ältesten Bevölkerungen unter den OECD-Ländern. Doch während bei Ärzten und Krankenpflegern die Quoten gut sind, gibt es wenige Altenpfleger, 5,1 sind es für 100 über 65-Jährige. In Schweden und Norwegen stehen für diese Altersgruppe doppelt so viele professionelle Kräfte zur Verfügung.