Berlin
Alles schaut nach NRW

Landtagswahl am Sonntag stellt auch Weichen für die Bundespolitik

12.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:08 Uhr

Berlin (DK) Höchstspannung vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen: An diesem Sonntag entscheidet sich an Rhein und Ruhr nicht nur, ob Ministerpräsidenten Hannelore Kraft (SPD) im Amt bleiben kann, oder ob CDU-Herausforderer Armin Laschet zum überraschenden Triumphator im bevölkerungsstärksten Bundesland wird. Auch für die Bundestagswahl im September werden wichtige Weichen gestellt.

Hintergründe zur "kleinen Bundestagswahl" in Nordrhein-Westfalen:

 

Wie ist die Lage unmittelbar vor der Wahl?

Lange sah es im Stammland der SPD nach einem klaren Sieg für Hannelore Kraft aus. Aber der Rückenwind durch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist weg und Krafts Stern gesunken. Stattdessen hat CDU-NRW-Chef Armin Laschet, der auch in den eigenen Reihen als blass und zaghaft galt, auf den letzten Metern einen kräftigen Schub bekommen, kann auf "das Wunder an der Ruhr" hoffen: In den aktuellsten Umfragen war seine CDU auf 31 Prozent geklettert, ein Prozentpunkt Vorsprung vor der SPD. Die Panik der Grünen, aus dem Landtag zu fliegen, hat sich etwas gelegt. Aber mit einem Ergebnis von 6,5 bis sieben Prozent, wie es die Prognosen voraussagen, wäre die Fortsetzung der rot-grünen Koalition nicht möglich. Die FDP könnte ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Die Linkspartei liegt bei rund sieben Prozent. Der AfD werden sechs bis neun Prozent zugetraut, sie dürfte erstmals in den NRW-Landtag einziehen.
 

Welche Koalitionsoptionen sind denkbar?

Nicht mehr viele, weil drei Parteien aus taktischen Gründen Bündnisse ausgeschlossen haben: Kraft hat die Hintertür für Rot-Rot-Grün erst in dieser Woche zugeknallt, nicht ausgeschlossen wäre aber die Duldung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Seit der Saarland-Wahl gilt ein Liebäugeln mit der Linkspartei für die Sozialdemokraten aber als wählerverschreckend. Die Grünen haben einer schwarz-gelb-grünen "Jamaika"-Koalition eine Absage erteilt. Die FDP sagt Nein zur rot-grün-gelben Ampel. Durch die "Ausschließeritis" an Rhein und Ruhr ist eine große Koalition von SPD und CDU die wahrscheinlichste Option. Das wäre eine Premiere für NRW. Kraft und Laschet sind im Wahlkampf fair miteinander umgegangen. Allerdings fordert Laschet als Bedingung für ein schwarz-rotes Bündnis den Kopf von SPD-Innenminister Ralf Jäger, den er für die vielen Pannen von der Silvesternacht bis zum Fall Anis Amri verantwortlich macht. Eine CDU-geführte große Koalition wäre eine Demontage für Hannelore Kraft.

 

Eine Alternative zur großen Koalition gibt es nicht?

Bei einem CDU-Sieg und einem starken Abschneiden der FDP wäre eine schwarz-gelbe Koalition wie in den Jahren 2005 bis 2010 nicht auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit eines sozialliberalen Rot-Gelb tendiere hingegen "gegen null", erklärte FDP-Chef Christian Lindner. Die Linkspartei hat angeboten, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu dulden. Doch wäre das eine schwere Hypothek für die SPD mit Blick auf die Bundestagswahl.

 

Warum ist NRW so wichtig für Berlin?

Schon oft waren Wahlausgang und Regierungsbildungen an Rhein und Ruhr richtungweisend für den Bund. Diesmal könnte die Signalwirkung besonders stark sein: Wenn die SPD nach der Saar und Schleswig-Holstein auch noch in der "Herzkammer der Sozialdemokratie" gegen die CDU verliert, stände es 3:0 für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel. "Das würde bedeuten, dass Martin Schulz seine Hoffnung auf die Kanzlerschaft begraben kann", legte sich Parteienforscher Oskar Niedermayer fest. In NRW hat die SPD bis auf die Zeit von 2005 bis 2010 stets die Regierung geführt. Eine Lehre wäre dann auch, dass die Abgrenzung von der Linkspartei nicht ausreicht.

Um den Schulz-Zug nach einer Schlappe in Nordrhein-Westfalen wieder aufs Gleis zu setzen, müsste der Kandidat und Parteichef rasch mit neuen Ideen aufwarten. Am Montag soll das SPD-Wahlprogramm für die Bundestagswahl präsentiert werden. Ein Sieg der Laschet-CDU würde Angela Merkel und ihren Kurs stärken und Kritiker in den eigenen Reihen schwächen.