Kalkulierter Ausflug

Kommentar

16.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Normalerweise nehmen sie kein Blatt vor den Mund, sind alles andere als zurückhaltend und auch nicht meinungsschwach. Mit ihren Clips im Internet erreichen sie Millionen von jungen Menschen.

Kein Wunder also, dass auch Wahlkämpfer großes Interesse daran haben, über Star-Blogger das junge Publikum in der digitalen Welt zu erreichen.

Im Youtube-Interview mit Angela Merkel war allerdings von der Angriffslust der vier ausgewählten Promi-Blogger nicht viel zu spüren. Was mit großem Pomp und markigen Sprüchen angekündigt worden war, entpuppte sich als weitgehend normale Polit-Sendung, als ein langer Werbespot für das Videoportal. Zwar zeigten sich AlexiBexi, ItsColesLaw, Ischtar Isik und MrWissen2go solide vorbereitet, doch hatte die Kanzlerin hier zu leichtes Spiel. Angela Merkel lullte den Gegner ein.

Die Kanzlerin zog sich immer wieder aus der Affäre. Ob Mindestlohn, Ehe für alle oder Nordkorea-Krise - die Regierungschefin macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Es wirkte, als sei der Mindestlohn ihre Erfindung, als sei sie es, die die Abstimmung über die Ehe für alle durchgesetzt habe, und als sei die Angst vor einer Eskalation zwischen Pjöngjang und Washington unbegründet.

Merkels seltene Ausflüge ins Neuland Internet wirken stets sehr kalkuliert, auf die Wirkung ausgelegt. Sich alle zwei Jahre einmal den freundlichen Fragen einiger Youtube-Stars zu stellen, wird jedenfalls nicht ausreichen, um auf die jungen Wählerinnen und Wähler Eindruck zu machen.