Alternative Schulz

Kommentar

05.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

Heute soll es konkret werden. Zwei Wochen, nachdem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz angekündigt hat, Fehler in Gerhard Schröders Agenda 2010 auszumerzen, soll der SPD-Parteivorstand für die Einführung eines "Arbeitslosengeldes Q" stimmen, wobei "Q" für Qualifizierung steht.

Absicht dabei: Erwerbslose können länger Arbeitslosengeld I beziehen, wenn sie bereit sind, sich weiterbilden zu lassen.

Das Vorhaben ist jetzt schon ein voller Erfolg, selbst wenn es nie realisiert werden würde. Denn das wütende Geschimpfe aus Unionsparteien und Unternehmerlager ist genau das, was die Sozialdemokraten brauchen: Die Bestätigung, dass sie etwas anderes im Angebot haben als das dröge "Weiter so", als das die Politik der bisherigen Bundesregierung so oft erscheint.

Dass sich Schulz als Alleinstellungsmerkmal ausgerechnet vorgenommen hat, Missstände im Bereich soziale Gerechtigkeit zu bekämpfen, ist aber nicht nur geschickt, sondern auch sachlich begründet. Kanzler Schröder hatte im Jahr 2003 bei der Ankündigung seiner Reformagenda noch sämtlichen Teilen der Gesellschaft gewaltige Belastungen angedroht. Die für die Bessergestellten waren dann aber bei der Umsetzung plötzlich vergessen. Stattdessen wurde beispielsweise der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Agenda-Leidtragende waren andere.

Um die verspricht sich jetzt Martin Schulz zu kümmern - wenn er nach der Bundestagswahl am 24. September die Chance dazu erhält. Nicht dadurch, dass er das ganze Agenda-System über den Haufen wirft, was ihm Unternehmer und Union fälschlicherweise unterstellen und was die Linken gern hätten, sondern durch Drehen an Stellschrauben. Schulz signalisiert damit den Abgehängten in unserer Gesellschaft, dass sie doch nicht vergessen sind, dass ihnen jemand zuhört und sie ernst nimmt.

Jahrelang tat das niemand - bis sie in Scharen den Rechtspopulisten von der AfD zuliefen. Heute ist Schulz die wahre Alternative für Deutschland. Und zwar eine, die erfolgreich sein könnte. Das liegt natürlich auch an der mit Händen greifbaren Schwäche der Union. Jetzt rächt sich, dass CSU-Chef Horst Seehofer monatelang immer wieder völlig rücksichtslos die Kanzlerin demontiert und gedemütigt hat, und dass Angela Merkel den Bayern in seinem Ego-Trip nicht in die Schranken gewiesen hat. Jetzt steht das einstige Unions-Zugpferd Merkel als lustlos, zerfleddert und verbraucht da.