Kraftsbuch
Fast wie ein Feiertag

21.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

Wenn am Sonntag der neue Bundestag gewählt wird, dann ist Thomas Schmidt aus Kraftsbuch bei Greding im Einsatz. Er ist einer von zahlreichen Helfern, die die Stimmen der insgesamt mehr als 61 Millionen Wahlberechtigten auszählen.

Sein Vater war bei der CSU, sein Onkel bei der SPD - entsprechend lebhaft waren schon immer die Diskussionen in Thomas Schmidts Familie. "Die beiden haben sich gegenseitig das aus den Parteizeitungen vorgelesen, was sie für einen Schmarrn hielten", erzählt der 45-Jährige und lacht. Politik spielte immer eine große Rolle. Und so ist es kaum verwunderlich, dass er selbst in der Politik gelandet ist. Neben seinem Mandat im Stadtrat und als Kreisrat ist der Landwirt aus Kraftsbuch (Kreis Roth) schon seit 20 Jahren als ehrenamtlicher Wahlhelfer aktiv - da ist der kommende Sonntag schon fast so etwas wie ein Feiertag. "Das ist natürlich schon ein ganz besonderer Tag", sagt Thomas Schmidt. "Andere streiten und kämpfen für dieses Recht." Wählen zu gehen ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. "1996 war ich zum ersten Mal Wahlhelfer, das war bei einer Kommunalwahl." Etliche weitere Landtags-, Europaparlaments- und Bundestagswahlen hat er seitdem betreut - und auf eines ist er besonders stolz: "In Kraftsbuch ist die Wahlbeteiligung sehr hoch. Da ist natürlich ein gewisser sozialer Druck da. Es fällt auf, wenn eine ganze Familie nicht wählt."

Der Wahltag sieht bei Thomas Schmidt so aus: aufstehen, raus in den Stall, 7.30 Uhr Treffen im Wahllokal. Dort müssen in einem Umkreis von 100 Metern alle Wahlplakate entfernt werden. "Das ist am Wahltag nicht mehr zulässig", erklärt er. Dann werden die Urnen und Wahlkabinen aufgestellt, Musterzettel aufgehängt und der Weg ins Wahllokal ausgeschildert.

Im Zwei-Schicht-Betrieb sind immer drei Wahlhelfer vor Ort. "Zwei sind vorgeschrieben, aber wenn einer mal auf Toilette oder selbst zum Wählen geht, dann sind die anderen beiden ja noch da." Und weil Menschen Gewohnheitstiere sind, kann sich Thomas Schmidt schon jetzt in etwa vorstellen, wer wann seine Stimme abgeben wird. "Manche Wähler sind immer gleich um 8 Uhr da, bevor sie zum Frühschoppen gehen", weiß Thomas Schmidt. "Andere machen nachmittags mit der Frau einen Spaziergang und gehen dann bei uns vorbei."

Wenn es endlich losgeht, hat Thomas Schmidt das aktuelle Wählerverzeichnis vor sich liegen, die Briefwähler sind bereits durchgestrichen. Wahlschein und Personalausweis dabeizuhaben, schadet auf keinen Fall. Jeder Wähler bekommt noch eine kurze Erklärung, wie die Stimmabgabe funktioniert. "Wobei das bei der Kommunalwahl viel komplizierter ist als jetzt am Sonntag." Während es früher durchaus auch mal vorgekommen sei, dass Eheleute zusammen in die Kabine gegangen sind, sei das heute nicht mehr üblich. "Wenn aber jemand sein kleines Kind mit reinnimmt, dann geht das natürlich schon", sagt der Landwirt.

Um 13 Uhr endet seine Schicht. Fünf Stunden später geht es zurück ins Dorflokal. Jetzt beginnt der spannende Teil des Tages: das Auszählen. "Das ist öffentlich, jeder kann zuschauen. So kann auch nichts gefälscht werden." Im Gegensatz zu anderen Ländern läuft die komplette Wahl auf Papier ab. Auf einem großen Tisch werden die Wahlurnen ausgeschüttet und die Stimmzettel zuerst nach der Zweitstimme sortiert. "Der Wille des Wählers muss klar erkennbar sein", erläutert Thomas Schmidt. "Es ist erlaubt, andere Parteien durchzustreichen, aber man darf keine Bemerkungen dazuschreiben oder mehr als zwei Kreuze machen. Sonst ist der Wahlzettel ungültig."

Gemeinsam mit den anderen Wahlhelfern werden die Zweitstimmen gezählt und mehrfach kontrolliert. "Dann fülle ich das Schnellmeldeformular aus, rufe die Gemeinde an und gebe die Daten durch." Die ersten Zahlen dienen den Hochrechnungen, die vermutlich ein Großteil der Deutschen am Sonntagabend live im Fernsehen verfolgen wird. In Kraftsbuch läuft im Nebenzimmer des Wahllokals auch der TV - mutmaßlich inklusive lautstarker Kommentierung der Zuschauer. Wenn Thomas Schmidt dann auch noch die Erststimmen ausgezählt hat, alle Wahlzettel in einen Umschlag gepackt und sie ins Rathaus gefahren hat, setzt er sich auch zu den anderen vor den Fernsehen - und gönnt sich von seinem Wahlhelfergeld eine Halbe Bier. Und ganz egal, wie die Wahl zum neuen Bundestag ausgehen wird, eines steht für Thomas Schmidt fest: "Jeder, der bei der Wahl nicht mitgemacht hat, hat das Recht verwirkt, später zu meckern. Und wie man in Bayern sagt: De mehran san de schweran. Das muss man dann akzeptieren. So funktioniert Demokratie."