Beklemmende Nähe: "En memoire" gibt den Opfern des Pariser Anschlags ein Gesicht

20.11.2015 | Stand 20.11.2015, 15:25 Uhr
Die Onlineausgabe der französischen Tageszeitung Libération hat Nahestehende der 129 Opfer des 13. Novembers gesucht und sie gebeten, ihre Geschichte zu erzählen. −Foto: Screenshot Libération

129 Menschen sind am 13. November bei den Anschlägen in Paris gestorben. In den Tagen danach sah man, wie die Menschen zusammenrückten. Weltweit gab es Zeichen der Solidarität. Doch nichts ist so berührend und macht so sprachlos, wie die Postings des Twitteraccounts "En memoire" und die Collage "Les 129 vicitmes du 13 novembre" der französischen Tageszeitung Libération. Ein persönlicher Beitrag.

Matthieu de Rorthais (32) aus Frankreich. Liebt Musik. Überlebte den Krebs. „Der schönste Stern am Himmel“. Auf dem Bild über dem Posting ist ein junger Mann an einem sonnigen Tag zu sehen. Er macht einen zufriedenen Eindruck. Franck Pitiot (33). Ingenieur. „Liebevoller Bruder und ein liebender Onkel“. Franck Pitiot hat auf dem Foto ein verschmitztes Lächeln. Justine Moulin (23) aus Frankreich. Studentin, Tochter, Künstlerin und Freundin „Eine wundervolle Person“. Das Foto von Justine Moulin scheint auf einer Fete mit Freundinnen aufgenommen worden zu sein. Vor ihr Gesicht hält sie sich einen knallroten Kussmund aus Papier.

Es geht immer so weiter. 99 Fotos sind auf dem Twitteraccount „En mémoire“" target="_blank" type="" href="https://twitter.com/ParisVictims" %> (französisch in Erinnerung bleiben) bereits zu sehen. In der Beschreibung steht: „Ein Tweet für jedes Opfers der Terroranschläge in Paris am 13. November 2015.“

Seit einigen Tagen wird immer mehr über die Anschläge bekannt. Wer hinter den grausamen Vorgängen steht. Aber auch, wer die Opfer sind. 129 Menschen sind am 13. November gestorben. Doch mit der Aktion des Nachrichtenportals „mashable“, das „En mémoire“ initialisiert hat, werden aus abstrakten Zahlen Menschen mit Vorlieben, Familien und Charaktereigenschaften.

Noch weiter geht die Onlineausgabe der französischen Tageszeitung Libération" target="_blank" type="" href="http://www.liberation.fr/apps/2015/11/13-novembre/" %>. Die Redakteure versuchen, Nahestehende der 129 Getöteten zu finden und deren Geschichte zu erzählen. Die französischen Kollegen sprechen etwa die große Schwester von Manuel Perez (40), die erzählt, dass Manuel in der Nähe des Bataclan wohnte und am Freitag ein Video des Konzerts postete. Die Eltern versuchten Manuel telefonisch zu erreichen, doch er antwortete nicht. Sie hätten Manuel dann am Samstagvormittag überall gesucht. Bis sie nachmittags die traurige Nachricht erhielten. „40 Jahre – das ist kein Alter zum Sterben“, sagt Manuels Schwester.

Beim Scrollen durch die Bilder und dem Hineinlesen in die Geschichten der Opfer entsteht ein beklemmendes Gefühl. Ein Klos im Hals - und stets stellt sich die Frage: „Wie können Menschen so brutal mit anderen Menschen umgehen?“ Ein weiteres Bild zeigt Halima Saadi (37) und ihre Schwester Hodda (35). Sie starben auf der Terrasse des Cafés „Belle Equipe“. Sie feierten dort zusammen mit Freunden einen Geburtstag. Halima hinterlässt zwei Kinder im Alter von drei und sechs Jahren. Ihr Vater sowie deren Bruder werden von der Libération mit den Worten zitiert: „Diese Dschihadisten repräsentieren nicht den Islam.“

Das Nachrichtenportal „mashable“ wurde in den vergangenen Tagen dafür kritisiert, dass es bei „En mémoire“ " target="_blank" type="" href="https://twitter.com/ParisVictims" %>unverpixelte Fotos der Opfer zeigt. Einige Kritiker monieren, es braucht keine Bilder der Opfer, um die Katastrophe von Paris zu verstehen. Trotzdem: Selten hat die Berichterstattung über Opfer eines Anschlags mehr Nähe und Empathie erzielt.