Wenn der Seidl Dummheit wittert

12.02.2016 | Stand 01.02.2017, 14:45 Uhr
Der Kabarettist Gery Seidl stammt ursprünglich aus Wien. −Foto: Jessica Roch

Ingolstadt (DK) Wenn Gery Seidl sich in Rage redet, flackern seine Augen, Strähnen seiner blonden Haare fliegen durch die Luft und seine Hand ballt sich zur Faust. Er nennt diesen Moment: "Mein innerer Seidl erhebt sich". Und das tut er oft. Denn es gibt viele Dinge, die Gery Seidl auf die Palme bringen.

Von diesen Ärgernissen des Alltags erzählt der Wiener Kabarettist am Donnerstagabend, als er mit seinem Programm "Bitte. Danke." im Rahmen der Kabaretttage in der Neuen Welt gastiert. Gleich zu Beginn bittet er um Nachsicht bei etwaigen Verständnisproblemen aufgrund seines Dialekts: "Keine Sorge, es liegt nicht unbedingt an Ihnen. Meine Frau versteht mich auch nicht."

Doch selbst wer nicht jede Aussage des Kabarettisten begreift, hat keine Probleme, ihm in seinen Erzählungen zu folgen – denn Seidl zeigt vollen Körpereinsatz: Er radelt schon mal mit einem imaginären Fahrrad beim Granitbeißer-Marathon mit, demonstriert seine ersten pubertären Flirt- und Tanzversuche oder zeigt detailliert, wie er mit einarmigen Liegestützen das Herz seiner heutigen Frau Andrea erobert hat. Damit erntet er viel Beifall von seinem überraschten Publikum. So viel Turnkunst sieht man im Kabarett selten. Die Chemie zwischen Künstler und Zuschauern stimmt von Anfang an.

Und obwohl auch die Chemie zwischen Seidl und Andrea sofort gepasst habe, sei das Zusammenleben nicht immer so einfach. "Meine Frau hat 96 Paar Schuhe - für zwei Paar Füße! Immerhin hat sie vor unserem Umzug aufs Land vier Paar ausgemustert. Einziger Wermutstropfen: Die vier Paar waren meine." Mit der gesunden Ernährung seiner Angetrauten stimme er ebenfalls nicht immer so ganz überein. Für die Gesundheit müsse er jeden Morgen ein Glas Gerstensaft trinken. "Wissen Sie, wenn ich mir diesen froschgrünen Saft so anschaue, denke ich mir: Früh sterben hat auch was."

Andreas Übernahme der Küche bringe aber auch Vorteile: Dank ihr gebe es jetzt eine Küchenmaschine, die einem quasi alle Kochschritte abnehme. "Man schiebt den Dammhirsch mit dem Preiselbeerstrauch im Geweih vorne hinein und hinten kommt dann der Hirschbraten mit Preiselbeeren heraus." Selbst die Tötungsart könne man bei dem Gerät aussuchen. Seidl setzt hier auf Beschallung mit Liedern von Helene Fischer oder Andreas Gabalier: "Da strömt das Tier Glückshormone aus, weil es beim Hören dieser Musik Todessehnsucht bekommt."

Dann – kurz bevor sich der schimpfende Kabarettist von seinem Publikum verabschiedet – passiert auf einmal etwas Merkwürdiges: Er erzählt von der grünen Oase vor seinem Haus, und vergisst dabei seinen ganzen Furor. Stattdessen gerät er ins Schwärmen: "Ich wünsche Ihnen einen Garten, in dessen Mitte auch so ein wunderschöner Apfelbaum steht. Und ich wünsche Ihnen die Zeit, sich darunter zu setzen und einfach nur zu schauen." Gery Seidl tun die meditativen Momente unter dem Baum offenbar gut: Die Wut ist verraucht und "der innere Seidl" zieht sich besänftigt zurück.
 

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