Ingolstadt
Tragikomische Lebensbeichte

Veronika von Quast spielt "Die Kellnerin Anni" im Ingolstädter Altstadttheater

06.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:51 Uhr
Hadert mit ihren Männerbekanntschaften: Veronika von Quast als Kellnerin Anni im Altstadttheater. −Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Was hat sie nicht alles erlebt, die Kellnerin Anni. Mit Männern im Allgemeinen und natürlich auch im Speziellen. "Da machst was mit. Als Frau" - den Stoßseufzer lässt Veronika von Quast mehrfach aus tiefster Seele auf die Zuschauer im Altstadttheater los.

Rückblickend erzählt die gestandene Münchnerin im reifen Alter, das sich anhand der zahlreichen "15-Jahre später" Schilder ihres erfrischenden Bühnenpartners Florian Burgmayr auf irgendwo jenseits der 90 summieren dürfte, aus ihrem bewegten Leben in dem Stück "Die Kellnerin Anni" nach einer Vorlage von Herbert Rosendorfer. Das war nicht immer so unbeschwert und frei wie nun im reifen Alter, in dem sie es sich leisten kann, sich nirgendwo niederzulassen. Hotels sind ja so viel praktischer, denn "da brauchst keine Bettwäsche und kein Geschirr". Und wenn es sie nach Essen oder Trinken gelüstet, dann bestellt sie es eben - beim "Herrn Oberst" oder in radebrechendem Italienisch mit viel "prego", "uno", sowie Händen und Füßen. Nur mit dem Trinkgeld, da hat sie es jetzt, wo sie auf der anderen Seite steht, nicht mehr ganz so wichtig. "Passt schon", lässt sie Burgmayr in der Rolle des italienischen Kellners wissen und schickt ihn mit einer Handbewegung fort.

Der junge Musiker erweist sich als kongenialer Partner - ob als Musiker, Sänger, Komödiant oder Bühnen(um)bauer. Er verschafft ihr nicht nur Luft zum Umziehen hinter dem roten Vorhang, sondern ist weitaus mehr als nur Pausenfüller. Seine melodischen Akkordeon- oder Tubaklänge aus eigener Feder ergänzen von Quasts Geschichten, passen vom Genre her ebenso wie vom leicht melancholischen Klang. Sie berühren, vertiefen die Lebensbeichte, lassen die Worte sich setzen. Zum Schießen sein Auftritt als Krankenschwester, für die er seine Lockenpracht in zwei Rattenschwanz-Zöpfen bändigt. Ausgezeichnet seine Stimme, die er vom tiefen Bass bis zum komödiantischen Sopran einzusetzen versteht - davon hätte es gern mehr als nur eine kleine Kostprobe sein dürfen.

Tragikomisch ist diese Geschichte einer einfachen Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Nicht von ihrem Ex-Mann, der sich um Unterhalt drückt, auch nicht vom Geliebten, der sie nur ausnutzt, dem sie aber trotzdem nachtrauert, als er - keineswegs freiwillig - aus ihrem Leben verschwindet. Kichernd erzählt Anni, wie ihr Max badete und seine Glatze sich dabei dank ihres Spezialshampoos karottenrot verfärbte, so dass er aussah wie "ein plattertes Oachkatzl".

Das konnte er seiner Frau natürlich nicht erklären, zumal die aufgrund seiner Verspätung schon bei Max' Kumpel angerufen hatte. Das Publikum darf mitleiden, wenn Anni auf einer geschenkten Pilger-Busreise verunglückt, was sich letztlich als Glück herausstellt. Denn im Krankenhaus trifft sie auf die letzte Liebe ihres Lebens, ihren kleinen Konsul Bobsl, bei dem "im Intimbereich" alles passte. Und natürlich auf dem Bankkonto, das nun, nach seinem Ableben, ihr gehört.

Quast lässt ihre Kellnerin in wechselnden, meist grellbunten Outfits über Gott und die Welt räsonieren, über "rätselhaften Verkehr", FKK-Strände in Ex-Jugoslawien, den Spirituskocher als natürlichen Feind der Camper, Calamari, die "gekochten weißen Hosenträger", die vor 50 Jahren kein Deutscher gegessen hätte, und Sterne, die nicht lügen, wie ihr Pfarrer zu sagen pflegte, der dabei "eher die Astrologen im Verdacht" hatte.

Ein überwiegend unterhaltsames Programm, dem streckenweise allerdings etwas mehr Tempo gut täte - oder ein stärkerer Fokus auf Burgmayrs musikalische Einlagen.

Andrea Hammerl