Technische Hochschule Ingolstadt: Planerischer Weitblick

Mit den Erweiterungsbauten wird der abgeschlossene Campus-Charakter der Hochschule Ingolstadt geöffnet

03.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:57 Uhr

Neuer Haupteingang: Im Eingangsfoyer mit Rampe gibt es nun den Zugang zum Café (Bild oben). Die unterschiedlichen Architektursprachen prallen beim Übergang der Bibliotheken aufeinander. - Fotos: Goetz

Ingolstadt (DK) Sie wächst und wächst und wächst, die Technische Hochschule in Ingolstadt (THI). Die vor Kurzem fertig gewordenen Bauteile wurden von den Münchner Architekten Klein & Sänger entworfen. 9200 zusätzliche Quadratmeter Nutzfläche kosteten etwa 60 Millionen Euro und änderten den nun fast doppelt so großen Campus grundlegend.

Das städtebauliche Leitbild wurde vom Kopf auf die Beine gestellt. Die ursprüngliche Hochschulanlage (Ende der 90er Jahre von Keiner Architekten, Fürstenfeldbruck, gebaut) ist ein zusammenhängender Bau mit Campus-Charakter: Funktionale Riegel sind an eine riesige Aula, das Herz des Gebäudes, angeschlossen. Von diesem Verkehrsknotenpunkt lassen sich alle Räume trockenen Fußes erreichen.

Die neue städtebauliche Konzeption von Klein & Sänger – 2009 im gemeinsam mit Landschaftsarchitektin Irene Burkhardt, München, gewonnenen Wettbewerb preisgekrönt – begreift das Hochschulquartier auf dem ehemaligen Gießereigelände im Bereich des Glacis’ nicht mehr nur als Einzelaufgabe, sondern gesamtheitlich als Bestandteil der Stadt. Die Folge ist der Verzicht auf die konventionelle CampusStruktur. Bauteile werden zu „Stadtbausteinen“.

Das hat Vorzüge. In das neue Konzept integrieren sich nicht nur die bestehenden und zukünftigen Hochschulgebäude – sondern auch historische Bauten wie Kavalier Dallwigk und die zum Museum für Konkrete Kunst und Design umgewidmete alte Gießereihalle. Dieser planerische Weitblick schafft Flexibilität und Zukunftssicherheit. Weil solche Areale auch anders verwendet werden können.

Miteinander verbunden werden die unterschiedlichen Bauwerke durch eine übergeordnete Gestaltung der Außenflächen. Der ruhende Verkehr verschwindet in einer Tiefgarage.

Entstehen wird auch ein neuer Hochschulplatz, begrenzt vom Museum und den beiden neuen Hochschulbauten. Deshalb wurde auch der Haupteingang der Hochschule vom Norden in den Süden verlegt – an den neuen Hochschulplatz. Die alte interne Erschließungsachse haben die Architekten beibehalten, allerdings verlängert. Mit einem rechtwinkligen Anbau (Bauteil AF) wurde das alte Bauensemble räumlich geschlossen. So wird auch dieser Alt-Neu-Komplex zu einem „Stadtbaustein“.

Außerdem entstand ein reizvoller Hof, zu dem hin sich das Café orientiert. Ein Geländesprung wurde dazu genutzt, dem Eingangsfoyer veritable Höhe und besondere räumliche Qualität zu verleihen. Breit angelegt nutzt man das Foyer nun auch als Aula, als Vortrags- und Festsaal. Der Gebäudesprung dient dabei als Bühne.

Sehenswert – weil trotz der unterschiedlichen Architekturauffassungen fast nicht zu bemerken – ist die Schnittstelle zwischen Alt und Neu. Keinen Hehl machen Klein & Sänger daraus, dass sie architektonisch nicht so sehr an die luftig, konstruktivistisch anmutende Stahl-Glas-Transparenz des Keiner-Baus anknüpfen wollen, sondern eine strengere Architektursprache bevorzugen. Das Betondach des neuen Foyers ragt einfach etwas in den Luftraum der bestehenden Halle – jedoch nicht nutzlos: auf dieser Betonplatte hat man die abgesägten Träger und Fassadenprofile des ehemaligen transparenten Gebäudeabschlusses abgefangen.

Ähnlich unprätentiös wirkt auch die neue Erweiterung des Bibliothekentraktes. Die alte Substanz fällt mit einer innenliegenden, zweigeschossigen Erschließungszone mit Galerie, Lufträumen, Glasoberlichtern und zusätzlichen Treppen auf. Zusammen mit freistehenden runden Betonsäulen, freundlichen Türen und Handläufen aus hellem Holz ist das ein sympathisches Ambiente. Der neue Bibliotheksbauteil von Klein & Sänger ist jedoch einfacher gestaltet. Links und rechts vom eingeschossigen, innenliegenden Flur gehen die Zugänge zu den Bibliotheksräumen ab. Gemeinschaftliche, frei nutzbare Flächen wurden am Ende des Bibliotheksbereichs mit Blick auf den neu entstehenden Hochschulplatz und über dem neuen Haupteingang angeordnet.Die stadträumlich bedeutende Ecke an der Esplanade markiert eine auch von außen sichtbare, sich frei emporschwingende Treppe mit Blick auf den Hochschulplatz.

Insgesamt orientiert sich damit der 77 Meter lange und 14 Meter breite Winkelbau ebenfalls deutlich auf diesen neuen Zentralplatz hin. Treppe an der Ecke, Haupteingang daneben, dann Cafeteria im Erdgeschoss und schließlich oben drüber Freiraum mit Galerie sorgen dafür, dass sich das Gebäude mit großen Glasflächen dorthin freundlich öffnet.

Auch die Nutzung im Winkelbau passt dazu, in dem neben Bibliothek und Café im Erdgeschoss auch die zentralen Service-Einrichtungen beheimatet sind. In den Obergeschossen befinden sich Zentralverwaltung, Professorenbüros, Räume für Projektgruppen und die Studentenvertretung. Architektonisch ist der Winkelbau, dessen Fassade wie auch der neu gebaute Solitär (Bauteil G) mit schiefergrauen, unterschiedlich reflektierenden Eternitplatten verkleidet ist, sehr zurückhaltend gestaltet.

Die geballte ästhetische Formensprache der Architekten Klein & Sänger, die mit Hochschulbauten in Dresden und Weihenstephan bereits viel Erfahrung im universitären Bauen besitzen, lässt sich deutlich im Solitär (Bauteil G) mit Werkstätten, Laboren, Hörsälen und Seminarräumen bestaunen.

Skulpturale Treppe, ein stiller Innenhof und eine komplett andere Innengestaltung zeigen, wie Hochschule heute geht.

 

Über den neuen, alleinstehenden Hochschulbau berichten wir demnächst.