Requiem für sechs Ermordete

27.03.2009 | Stand 03.12.2020, 5:05 Uhr

Wer hat dieses Unheil über ein ganzes Dorf gebracht? In Jochen Schölchs "Tannöd"-Inszenierung nach dem Roman von Andrea Maria Schenkel spielen Judith Toth und Christian Baumann. - Foto: Lobinger

München (DK) Links und rechts am Rand der ansonsten leeren Bühne (von Thomas Flach) flackern ein paar Grablichter, dahinter finden sich schwarzgesichtige Puppen als gruselige Mahnwache und in der Mitte eine einsam platzierte Stalltüre. Unheimlich düster ist das Licht, das Totenglöcklein läutet, schemenhafte Gestalten beten voll Inbrunst das Glaubensbekenntnis.

Eine Atmosphäre voll Religiosität, Trauer, Mystik und Schauer, die Regisseur Jochen Schölch an den Anfang seiner Inszenierung von Andrea Maria Schenkels Bestseller "Tannöd" setzte: Verstörend und beklemmend in einem – wie der bis heute ungeklärte sechsfache Mord im Einödhof von Hinterkaifeck bei Schrobenhausen aus dem Jahr 1922, der die Regensburger Autorin zu ihrem inzwischen in über ein Dutzend Sprachen übersetzten Kriminalroman inspirierte. In einer faszinierenden Mischung aus realen Polizeiverhören und fiktiven inneren Monologen, aus innigen Gebeten und imaginären Rückblenden, aus heuchlerischen Beichten und kruden Albträumen zelebriert Schölch ein bedrückendes Requiem für sechs ruchlos Ermordete. Ein Mosaik des Horrors, das, hat man sich als Zuschauer an die zunächst monoton erscheinende Abfolge von Monologen erst einmal gewöhnt, gewaltig unter die Haut geht. Denn in ein raffiniert aufgebautes Wechselbad aus realistisch-naiven Erzählungen der Dorfbewohner und bürokratisch-umständlichen Aktenvermerken der Kriminaler, aus ehrabschneidendem Tratsch und wenig erhellenden Zeugenaussagen, aus gespenstischen Fantasien der Nachbarn und nüchternem Polizeireport packte Schölch dieses Stück, das weder Täter noch Motiv nachspürt, aber tief in die Psyche der von diesem Mordfall betroffenen Menschen hineinleuchtet.

Von den sieben Schauspielerinnen und Schauspielern, die in unterschiedlicher Intensität in all die Rollen der Verwandten, Nachbarn, Dorfbewohner und Ermittler schlüpfen, brillieren vor allem Judith Toth als hysterische Magd, die allein den Teufel im blutigen Geschehen des Mordens mit der Spitzhacke walten sieht, während Susanne von Medvey ein frömmelndes Hutzelweiberl mit einem vor Angst und Verzweiflung zerfurchten, wie von einem Grödner Holzbildhauer geschnitzten Gesicht abgibt. Dazu Thomas Meinhardt als salbadernder Pfarrer und Christian Baumann in der Rolle eines Knechts, der sein erfahrenes Leid auf dem Einödhof der Danners in Hinterkaifeck-Tannöd nicht in Worte fassen kann.

Kurzum: Andrea Maria Schenkels fesselnder Kriminalroman als ungemein beeindruckender Abend in Münchens innovativster Privatbühne.

Weitere Aufführungen am 29. und 31. März sowie mehrmals im April und Mai im Metropoltheater; Kartentelefon: (0 89) 32 19 55 33.