Ingolstadt
Politkabarett auf höchstem Niveau

"Gesternheutemorgen": Urban Priol begeistert bei den Ingolstädter Kabaretttagen im Festsaal

22.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:59 Uhr
Besser geht's nicht: Urban Priol doziert über das große Ganze. −Foto: Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) Urban Priol kennen alle. Als ehemaligen Leiter der "Anstalt", wegen seiner satirischen Jahresrückblicke, durch seine Bühnenprogramme. Seit fast vier Jahrzehnten bietet er Politkabarett all inclusive auf höchstem Niveau. Und wegen seiner Steckdosenfrisur und seiner Hemden, dem Albtraum jedes Stilberaters, wissen sogar die Leute mit dem Namen Priol etwas anzufangen, die sich ansonsten nicht die Bohne um Kabarett scheren.

Anlässlich der diesjährigen Kabaretttage kommt er nach vier Jahren wieder mal nach Ingolstadt, haut im Theaterfestsaal Volksvertretern, Wirtschaftsbossen und Lobbyisten in seiner unnachahmlichen Art gehörig aufs Maul und erntet stürmischen Applaus dafür. Wie immer hat er im Vorfeld akribisch recherchiert, messerscharf seine Schlüsse gezogen und präsentiert nun seinem hingerissen lauschenden Publikum die dabei gewonnenen Erkenntnisse mit sprachlicher Brillanz. Was um 18 Uhr als Blitzmeldung in die Nachrichten kommt, ist um 20 Uhr Teil seines Programms. Das war bei ihm schon immer so, das gilt auch für diesen Abend.

Einiges ist aber auch ein klein wenig anders. Priol steht diesmal "nur" 150 Minuten auf der Bühne, er hat sein Sprechtempo leicht reduziert, und man kann die Fortdauer des Programms nicht mehr unbedingt wie noch vor ein paar Jahren am Pegelstand in seinem Weizenglas ablesen. Dafür hat er mit seinem aktuellen Programm, das ja nicht umsonst "Gesternheutemorgen" heißt, seine gesamte Karriere als Kabarettist, die mit Kohl begann und keinesfalls mit Merkel enden soll, im Visier. Er habe mit Erstaunen festgestellt, dass einige Nummern aus den Achtzigern heute immer noch brandaktuell seien, sagt er. Eine Auswahl daraus gehört ebenso zum Programm wie die neuesten Erkenntnisse zu Groko oder AfD.

Besonders schön wird's immer dann, wenn er politische Epochen und die sie prägenden Generationen vergleicht, etwa anhand der Zwischenrufe im Bundestag. Zwischen den dümmlichen Pöbeleien irgendeines AfDlers etwa und der rhetorischen Brillanz eines Herbert Wehner liegen Welten. Wenn Priol das tut, werden Zusammenhänge sichtbar, anscheinend häufig wiederkehrende Gesetzmäßigkeiten im politischen Geschäft, richtet sich also der Blick nicht nur auf Tagesaktualitäten - so wichtig sie Priol auch immer sind und bleiben werden - sondern in diesem speziellen Programm auch aufs große Ganze. Deswegen tauchen auch Reagan, Thatcher, Kohl und Schröder - wie immer herrlich parodiert - noch ein-mal aus der Versenkung auf.

Natürlich hat er seine Lieblinge. Merkel, Seehofer und Ackermann nehmen nach wie vor Spitzenplätze in seiner Hitparade peinlicher Persönlichkeiten ein. Doch auch die Nachrücker haben es sich verdient, von ihm ordentlich abgewatscht zu werden. Finanzminister Olaf Scholz ("Rote Null wacht über schwarze Null!"), Alexander Dobrindt ("Sie denken, es ginge nicht dämlicher? - Oh doch: Andreas Scheuer!"), Christian Lindner ("Vertreter der Generation Luftpumpe!"). Gewiss, manchmal fackelt er nicht lange, dieser Urban Priol, der immer dann auf so herrliche Art fuchsteufelswild werden kann, wenn er irgendwo Heuchelei, Scheinheiligkeit, Doppelmoral oder gar das Fehlen jeglicher Moral wittert. Was auch früher bereits oft der Fall war, heute jedoch an der Tagesordnung sei.

Wo aber bleibt das via Programmtitel angekündigte "Morgen", also der Ausblick in die Zukunft? "Der Pessimist sagt: Schlimmer kann's nimmer kommen. Der Optimist sagt: Doch, doch!", heißt es gegen Ende des Programms. Wobei der Schlusssatz dann sogar ein klein wenig Hoffnung gibt: "Machen wir's Beste draus!" - Wie das geht, hat Urban Priol mit seinem Programm vorgemacht. Besser geht's tatsächlich nicht.

Karl Leitner