Paris
"Es war der Horror"

Schauspielerin Léa Séydoux über die Sex-Szenen in dem Film "Blau ist eine warme Farbe"

18.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:17 Uhr

Paris (DK) Der franko-tunesische Regisseur Abdellatif Kechiche hat mit seiner freizügigen Chronik „Blau ist eine warme Farbe“ ein Meisterwerk geschaffen. Trotzdem will die Hauptdarstellerin Léa Séydoux nie wieder mit ihm drehen. Was ist geschehen? Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes wurde sie zusammen mit ihrer Schauspielkollegin Adèle Exarchopoulos und dem Regisseur Kechiche mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Der Film mit den „längsten, intimsten, explizitesten Sexszenen in der Geschichte des Mainstream-Kinos“, wie die englische Tageszeitung „The Guardian“ schrieb, war eine kleine Sensation. Ulrich Lössl unterhielt sich mit der Schauspielerin in Paris.

 

Mademoiselle Séydoux, stimmt es, dass Sie die Dreharbeiten zu „Blau ist eine warme Farbe“ grauenhaft fanden?

Léa Séydoux: Absolut.

 

Und Abdellatif Kechiche war „ein tyrannischer, sadistischer Regisseur“, der Sie „ausgebeutet und manipuliert“ hat?

Séydoux: Ja, das war der Horror!

 

Können Sie das bitte noch etwas näher erläutern?

Séydoux: Das waren die schlimmsten fünf Monate meines Lebens. Ich habe mich auf den Film überhaupt nur eingelassen, weil ich Kechiche als Autor und Regisseur bewundert habe. Natürlich wusste ich zuvor, an welchen Stoff ich mich da heranwagen würde, aber ich hätte mir wirklich mehr Respekt von ihm gewünscht. Er hat mich und Adèle gezwungen, sehr erniedrigende Sex- und Gewaltszenen zu drehen. Gut zehn Tage lang sind wir völlig nackt am Set herumgerannt – für eine einzige Sex-Szene, die im Film dann nur ungefähr zehn Minuten zu sehen ist. Und bei anderen Sex-Szenen hat er fast 100 Takes gemacht.

 

Warum haben Sie die Dreharbeiten eigentlich nicht abgebrochen?

Séydoux: Ich wollte es irgendwie dann doch durchziehen. Und ich wollte Adèle nicht im Stich lassen. Mit ihr habe ich mich gut verstanden. Wir haben trotz allem sehr viel zusammen gelacht.

 

Mussten Sie für die Rolle vorsprechen?

Séydoux: Nein. Ich habe mich mit Kechiche ein paar Mal zum Kaffeetrinken verabredet. Wir sprachen über das Projekt und dann hat er irgendwann gesagt, dass er mich gerne dabei haben wollte.

 

Und das hat Ihnen geschmeichelt . . .

Séydoux: . . . natürlich fand ich das toll – anfangs. Und natürlich habe ich mich auch über die Goldene Palme gefreut. Und ich bin auch irgendwie froh, dass ich den Film gemacht habe. Das ist nun vorbei. Ich werde sicher niemals mehr in meinem Leben mit diesem Regisseur drehen.

 

Kommen Sie mit anderen Regisseuren beim Drehen eigentlich gut klar?

Séydoux: Aber sicher. Ich habe erst vor Kurzem ein ganz wunderbares Remake von „Die schöne und das Biest“ mit Vincent Cassel unter der Regie von Christophe Gans gemacht. Das waren sehr schöne Dreharbeiten.

 

Stimmt es, dass Sie eine sehr scheue Person sind?

Séydoux: Ich bin manchmal scheu und sogar sehr schüchtern, dann wieder nicht. Das hängt meist von meiner Tagesform ab. Aber als Schauspielerin kann ich mich ja ganz hervorragend hinter meinen Rollen verstecken. Das ist etwas, was mir sehr gefällt.

 

Und wenn Sie sich für das Männermagazin „Lui“ nackt fotografieren lassen . . .

Séydoux: . . .finde ich nichts dabei. Auch da spiele ich gewissermaßen eine Rolle. Wenn die Fotos schön und ästhetisch gemacht sind – warum nicht?

 

Sie haben sowohl in französischen Autorenfilmen mitgespielt als auch in amerikanischen Mainstream-Movies. Was liegt Ihnen denn mehr am Herzen?

Séydoux: Ich würde gerne weiterhin beides machen. (Lacht) Ich hätte auch nichts dagegen, für einige Zeit nur in Hollywood Filme zu drehen. Allerdings würde ich nie nach Los Angeles ziehen. Dafür fühle ich mich in Paris viel zu wohl.

Eine Besprechung des Films finden Sie in unserer Beilage "unterwegs".