Neuburg
Harmonierender Wettbewerb

Reis-Demuth-Wiltgen eröffnen des 6. Birdland Radio Festival in Neuburg

23.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Kraftvolles Trio: Reis-Demuth-Wiltgen (v. links). - Foto: Erl

Neuburg (DK Die drei jungen Männer auf der Bühne des Birdland wirken, als würden sie vor Kraft nur so strotzen. Nicht im körperlichen Sinn. Vielmehr hört sich das, was das Trio Reis-Demuth-Wiltgen aus Piano, Bass und Drums hören lässt, nach unerschöpflicher Dynamik im Verbund mit höchst neugieriger Experimentierfreude an.

Das Trio aus Luxemburg eröffnete am Freitagabend das 6. Birdland Radio Festival auf der kleinen Bühne im Gewölbekeller unter der ehemaligen Hofapotheke; am Samstag folgte mit dem Quartett des Klarinettisten Rolf Kühn das zweite von insgesamt sieben Konzerten.

In den Kompositionen des Auftakt-Trios steckt Urkraft; das vermittelt sich schon mit den ersten Takten. Um die ganze Dimension ihrer völlig eigenständigen Klangwelt aufzuzeigen, reicht Reis-Demuth-Wiltgen auch schon mal ein kurzes musikalisches Thema. Das stellen sie variantenreich immer wieder in einen neuen Blickwinkel, beharken es minutenlang und dengeln voller Spielfreude und Leidenschaft darauf ein. Die Stücke stammen meist aus eigener Feder. Im Querschnitt ihrer beiden bisher veröffentlichten CDs haben sie auch leise Momente dabei. Nicht mit weniger Vitalität, aber eben in langsameren Takten und eine Nuance leiser - fast schon ein wenig verträumt. Dazu lassen sie die Saiten von Bass und Piano sanft ausklingen - die Zuhörer danken es ihnen.

Die Eigenkompositionen stecken randvoll mit inspirierten Tonkonstellationen, und selbst die Balladen wirken anders als in gewohnten Klangschemen. Sie öffnen eine weite Spange von dumpf gezupftem Grundschlag an den Basssaiten bis zu schwebend perlenden Klavierharmonien. Drums und Bass geben zu diesen Pianofantasien eine eigene Form von Minimalismus dazu. Dabei gelingen dem Trio authentische Harmonien und ein verbundener Gleichklang.

Die jungen Männer haben ihren eigenen Stil gefunden, steigern sich hinein in ihre Klangkonstrukte und scheinen sich förmlich darin zu verbohren. Die drei Instrumente sind gleichberechtigt, und bisweilen drängt sich der Eindruck auf, als spielten sie ihre Soli gleichzeitig. Dieser harmonierende Wettbewerb ist dann auch der besondere Reiz in ihren Stücken. Natürlich ist in dieser Spielweise eine enorme Präzision im Zusammenwirken der Instrumente die Grundlage für den gehörten und gefühlten Wohlklang. Ihr Titel "Floppy Disc" ist symptomatisch dafür. Die Komposition klingt beim ersten Hinhören einfach, hat aber satten Groove und gewaltige Balance. Das Trio baut wieder aus einem übersichtlichen Grundthema eine erfrischende Vielfalt an Nuancen auf, reizt sie mit den Instrumenten fast bis zur Ekstase aus, steigert sich zum Furioso und lässt die Klänge versöhnlich auslaufen. Es ist wohl der besondere Zauber des Birdland, von solchen jungen Gruppen mit Zukunftspotenzial überrascht zu werden, die das Spektrum von Klaviertrios im Jazz modernisieren und erweitern.