München
Hochstapler von kindlichem Gemüt

Jannik Harneit spielt im Deutschen Theater die Hauptrolle im Musical "Catch me if you can"

01.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Charmanter Gentlement-Verbrecher: Jannik Harneit als Frank in „Catch me if you can“ - Foto: Schulte-Bunert

München (DK) Am heutigen Mittwoch hat das Musical „Catch me if you can“ im Deutschen Theater München seine Premiere – eine rasante Betrügerstory nach einer wahren Biografie, die auch als Verfilmung mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle bekannt wurde. Hauptdarsteller Jannik Harneit (26) hat in München an der Everding-Akademie studiert und kehrt mit dieser Rolle erstmals nach Bayern zurück.

 

Herr Harneit, sind Sie gut wieder angekommen? Sie haben ja nach Ihrem Abschluss an der Staatsoperette Dresden eine beeindruckende Karriere gestartet.

Jannik Harneit: Das ist jetzt zwei Jahre her, und die waren so heftig, dass ich es inzwischen nicht geschafft habe, nach München zu kommen. Aber „Catch me“ war dann ja eine Neuinszenierung und jetzt genieße ich diesen Sommer am Eisbach und in Haidhausen sehr, ich bin angekommen und gleich aufs Rad gestiegen.

 

Sie haben sehr jung begonnen, ihre berufliche Passion zu suchen – schon mit 13 Jahren?

Harneit: Eigentlich habe ich sogar noch früher angefangen als Musicalbesucher mit meinen Eltern, die eher bodenständig denken, aber dennoch mit uns Kindern gelegentlich von Lüneburg nach Hamburg ins Musical fuhren. Da hat es mich dann gepackt, mit „Cats“: Ich habe zu Hause mit meinen Geschwistern im Wohnzimmer die Sofas umgeschmissen als Müllhalden und dann haben wir das knallhart durchgezogen. Dann kam erst mal eine Kinderrolle im Familienmusical und erst danach Gesangsstunden, noch später, mit 16 – also nicht gerade in dem perfekten Alter dafür! – das Ballett, da war ich erst nicht so begeistert.

 

Und jetzt sind Sie der Hauptdarsteller in „Catch me if you can“. Hochstapler sind Gentlemen-Verbrecher – oder?

Harneit: Richtig böse sein hätte auch seinen Reiz, aber der Frank hier ist ein besonderer, er ist einfach „charming“. Wir haben dafür Bilder gesucht, er ist ein wenig wie James Bond: Der kommt auch und strahlt. Dazu passt dann auch die Sache mit den Mädels, typisch Hochstapler eben. In der Schauspielschule haben wir immer gesagt: „Den König spielen die anderen“, das ist hier genauso. All die hübschen Mädels machen aus mir den Frauenschwarm, nicht ich.

 

Der historische Frank ist nach kurzer Haft heute erfolgreicher Unternehmen mit eigener Firma „Abagnale & Associates“ – ist das nicht ein geradezu märchenhaftes Leben?

Harneit: Ja, ich habe auch seine Biografie gelesen in der Vorbereitung auf die Rolle und denke, dass er einfach sehr jung war. Er ging ja schon mit 16 von zu Hause weg und ging dann wohl mit einer derart naiven Leichtigkeit an die Sache ran, dass er selbst nicht gerechnet hatte, mit seinen Betrügereien durchzukommen. Wahrscheinlich hat es auch deswegen überhaupt funktioniert – einem sechzehnjährigen Kind traut man nicht zu, dass es einen so übers Ohr haut. Er fühlte sich als eine Art Robin Hood.

Bekommt der historische Abagnale eigentlich Tantiemen für das Musical?

Harneit: Ich weiß es nicht, aber wie ich ihn einschätze: bestimmt! Jedenfalls hat er der Dresdner Staatsoperette wohl eine Glückwunschkarte zur Premiere geschickt.

 

Das Rollenvorbild Leonardo di Caprio, der die Rolle im Film spielte und dafür mit einem Golden Globe nominiert wurde, ist keine ganz kleine Latte – wie gehen Sie mit der Filmvorlage um?

Harneit: Ich habe den Film damals gesehen, als er 2002 herauskam und jetzt als Vorbereitung auf die Produktion noch mal – aber da habe ich auch festgestellt, dass der Film am Musical sehr nah dran ist, bis in den Dialog hinein und dann ist das natürlich heikel. Das ist für die Rolle des FBI-Ermittlers Hanratty, die ja im Film Tom Hanks gespielt hat, ähnlich. Man kann viel von diesen beiden grandiosen Schauspielern lernen, aber dann muss man sich unbedingt frei machen von diesem Vorbild.

 

Regisseur Sobotka hat das Musical vom Broadway nach Österreich und Deutschland geholt und es selbst übersetzt – hat sich für die Tourneeversion etwas geändert an seinem Konzept?

Harneit: Nur Kleinigkeiten, wir sind nicht ins Spital, sondern ins Krankenhaus – aber das ist es wohl auch schon.

 

Ihre Kollegen haben Kostüm- und Rollenwechsel ohne Ende – da geht es Ihnen in der Hauptrolle besser, oder?

Harneit: Gar nicht mal, gezählt habe ich das zwar noch nie – aber auf zehn, sechzehn Kostümwechsel komme ich auch. Mein Horrorumzug ist in einem Hotelzimmer, da liege ich in Boxershirts auf dem Bett und höre, dass Hanratty kommt. Dann muss ich nach hinten sprinten und habe zwanzig Sekunden um einen kompletten Anzug mit Krawatte und Schuhen anzuziehen. Das findet auf winzigem Raum statt, zwei Ankleider, zwei Techniker und ich! Und wenn ich wieder rauskomme, muss ich absolut cool sein.

 

In der Rolle singen Sie, Sie sind das „One Man Disneyland“, Frank muss hochsympathisch wirken und ist dennoch kriminell glamourös – ist das für Sie schwer herzustellen?

Harneit: Die Sympathien wechseln da sicher auch, mal ist man als Zuschauer eher auf Seiten des Hochstaplers, mal auf der Seite des Verfolgers. Aber selbst im Austricksen ist Frank immer der Prinz Charming, nur so funktioniert es.

 

Dieses Musical spielt ja mit einer Pseudowelt, wo Piloten generell reich und schön, Ärzte klug und wohlhabend sind – und auf den schönen Schein fallen dann alle rein. Auch das Schauspieler- und Sängerleben stellt man sich zwar schick vor, aber die Realität ist manchmal doch eben hart, oder?

Harneit: Das ist ja das Tolle an unserem Job, Sachen zu machen, die mit unserem normalen Leben nichts zu tun haben. In Wirklichkeit habe ich meine Freundin Julia Klemm, die auch Musical-Darstellerin ist, und meinen Hund und wir gehen nach der Vorstellung wieder nach Hause. Man schiebt private Sachen weg, wenn man zur Bühnentüre reingeht – aber wenn man rauskommt, dann braucht man wieder ein Zuhause. Die Homebase muss dann halt auch passen, und bei mir ist das glücklicherweise so.

 

Das Gespräch führte

Sabine Busch-Frank.