München
"Wie mit Messi Fußball spielen"

Der Ingolstädter Sänger San2 und Produzent Geoff Gascoyne wollen den Blues in Deutschland massentauglich machen

01.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Beim Album "Hold On" hat San2 (rechts) erstmals mit Geoff Gascoyne zusammengearbeitet. - Foto: Wenisch

München (DK) Der Ingolstädter Sänger San2 hat für sein neues Album "Hold On" erstmals mit dem britischen Produzenten Geoff Gascoyne zusammengearbeitet - dem Entdecker und Förderer von Jamie Cullum. Unsere Zeitung hat die beiden in München getroffen.

München (DK) Der Ingolstädter Sänger San2, der mit bürgerlichem Namen Daniel Gall heißt, hat für sein neues Album "Hold On" erstmals mit dem britischen Produzenten Geoff Gascoyne zusammengearbeitet - dem Entdecker und Förderer von Jamie Cullum. Unsere Zeitung hat die beiden in München getroffen.

 

San2, Sie haben mit Geoff Gascoyne nun einen ganz Großen der Szene an Ihrer Seite. Wie ist der Kontakt entstanden?

San2: Ein Produzent sollte die Musik fühlen und etwas über meine bisherige Musik wissen. Deshalb habe ich überlegt, wen ich kontaktieren könnte und verschickte einige E-Mails. Der Allerletzte auf der Liste war Geoff. Denn ich war mir sicher: Er würde nie antworten. Ich habe es trotzdem versucht und eineinhalb Stunden später hatte ich eine Antwort.

 

Geoff, was haben Sie gedacht, als Sie die Musik erstmals gehört haben?

Geoff Gascoyne: Es klang nach einem guten Projekt. Es fühlte sich einfach richtig an. Ich bin sofort auf die Webseite gegangen und habe gedacht: "Das ist fantastisch!" Kurz darauf haben wir geskypt.

 

Haben Sie Gemeinsamkeiten zwischen San2 und Jamie Cullum festgestellt?

Gascoyne: Ja, ein gewisser Sound in seiner Stimme erinnert mich an Jamie. Aber er ist eigentlich sehr anders, sehr individuell. San2 kommt mehr vom Blues. Davon habe ich eigentlich gar nicht so viel Ahnung, weil ich mehr von der Jazz-Seite komme. Ich habe es daher als Herausforderung gesehen, die Blues-Musik mehr in die Pop-Richtung zu bringen, was das Ziel von San2 war. Nach der E-Mail kam er nach London und wir haben zusammen etwas Musik geschrieben.

San2: Wir waren von Beginn an auf einer Wellenlänge und wussten, dass das funktionieren würde.

 

Wie lief denn die Albumproduktion?

Gascoyne: (lacht) Das Schreiben war ein wunderbarer Prozess, weil er Lyrics auf eine ungewöhnliche Art schreibt. Wenn er schreibt, kommt einfach nur lustiges, sinnloses Fantasie-Englisch raus. Ich musste dann erraten, was er damit sagen will.

San2: Ich fange ein Song meistens mit einer Zeile an und versuche dann, die passenden Akkorde zu finden. Manchmal brauche ich dann Hilfe, um meine Ideen in einen wirklichen Song zu übersetzen.

 

Was ist beim neuen Album besonders?

San2: Bei mir kommt immer die Musik zuerst. Ich bin Musiker und kein Poet. Bei diesem Album habe ich aber - auch mit Geoffs Hilfe - sehr tiefgehende Texte geschrieben. "Hold On to Me" beispielsweise ist ein Song über meinen Vater. Ich habe versucht, klassische Blues-Themen poppiger zu machen.

 

Welchen Einfluss hatten Sie, Geoff?

Gascoyne: Auf diesem Album sind sehr viele Extras zu hören. Wir haben erst mit der Band gearbeitet und dann habe ich mir überlegt, was man noch zusätzlich machen könnte. Wir haben zum Beispiel noch Hörner, ein Baritonsaxofon, Sängerinnen oder Streicher hinzugefügt. Aus der normalen Blues-Band haben wir so etwas sehr Raffiniertes gemacht.

San2: Das erste Album "Rebirth of Soul & Recycling The Blues" war viel derber. Die Songs waren weniger komplex. Auf dem neuen Album sind die Songs weicher und schöner.

 

Ist das Album damit auch persönlicher als die vorherigen?

San2: Jeder Song ist zumindest halb-autobiografisch. Ich singe viel über meine Familie, nicht erwiderte Liebe oder Loyalität. Loyalität ist wichtig für mich, das gilt auch für meine Band.

 

Geoff, was halten Sie von der Band Soul Patrol, mit der San2 seit Jahren spielt?

Gascoyne: Es ist toll, dass er eine Gruppe um sich hat, die ihm vertraut und regelmäßig mit ihm spielt. In meiner Welt ist das selten. Sänger heuern Musiker eher an, ohne viele Proben. Die Beziehung zur Band ist daher natürlich manchmal auch sehr kompliziert.

 

Warum? War es schwierig mit ihnen zu arbeiten?

Gascoyne: Wegen der verschieden Persönlichkeiten. Für mich als Produzent war es dennoch einfach. Ich konnte in den Raum gehen und sagen, was sie machen sollten. Weil ich sie nicht so gut kannte, hatten sie Respekt vor meiner Arbeit.

San2: Als ich ihnen sagte, dass Geoff nicht nur beim Songs schreiben helfen, sondern auch Produzent sein wird, waren sie begeistert. Für Musiker ist das wie für einen Fußballer, der mit Lionel Messi spielen darf. Aber die Band ist nicht nur für mich da. Jeder bringt seine Ideen ein, aber ich habe das letzte Wort. Es ist ein Mix aus Band und One-Man-Show und manchmal gibt es auch Diskussionen.

 

San2, Ihr erklärtes Ziel mit dem Album ist, Blues attraktiver für die breite Masse zu machen ...

Gascoyne: Ich weiß gar nicht wirklich, wo ich diese Musik hinstecken soll. Ich glaube, es ist gar nicht genau Blues.

San2: Es ist ein Mix aus Pop und Rhythm&Blues. Es hat aber auch Jazz- und Soul-Elemente. Aber das Erreichen der breiten Masse war auch der Grund, weshalb ich Geoff kontaktiert habe. Jamie Cullum hat das mit Jazz gemacht und damit ein riesiges Publikum erreicht: Pop-Musik aus Jazz-Perspektive. Dazu muss man etwas Plakatives machen. Viele Blues-Musiker spielen Jahrzehnte in den gleichen Clubs. Ich will Musik aber wirklich zu meinem Beruf machen, eine Karriere starten. Das beste Kompliment ist, wenn Leute zu mir sagen: "Eigentlich mag ich keinen Blues, aber so, wie ihr es macht, ist es etwas Besonderes." Ich will Deutschland mit Rhythm & Blues infizieren.

 

Jetzt haben Sie einen britischen Produzenten. Gibt es auch schon internationale Pläne?

San2: Wir sind nicht auf Deutschland beschränkt. Wir können auch in Schweden oder Spanien spielen. Mehrere Auftritte in England, Belgien und Holland sind schon geplant.

Gascoyne: Es sollen ein paar Auftritte in Großbritannien werden und jetzt kontaktieren wir einige Agenten.

San2: Im Juli spielt außerdem Jamie Cullum in München. Geoff versucht, uns dort als Support reinzubringen. Jamie hat in England auch eine Radioshow, in die er mich einladen wollte. Wir versuchen natürlich, das Netzwerk zu nutzen.

 

Arbeiten Sie hin und wieder noch mit Jamie Cullum?

Gascoyne: Nein, schon seit 2008 nicht mehr. Aber wir haben noch regelmäßig Kontakt. Wir sind zusammen durch die ganze Welt getourt. Es war einfach Zeit für eine Veränderung.

 

Ist das Ihr erstes Projekt mit einem deutschen Künstler?

Gascoyne: Ja, es ist das erste.

San2: (lacht) Betrüg mich nicht!

Gascoyne: Aber es gibt tatsächlich noch andere Ideen. Ich werde zum Beispiel einige Streich- und Horn-Arrangements für Willy Astor machen.

 

Das Gespräch führte Daniel Wenisch.