München
Reden über Poesie

Nach einem Jahr Pause gibt es am 22. Februar einen Neustart des Lyrischen Quartetts in München

09.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:40 Uhr

Kristina Maidt-Zinke moderiert das Lyrische Quartett. - Foto: privat

München (DK) Das Münchner Lyrik-Kabinett unterhält die zweitgrößte auf Lyrik spezialisierte Bibliothek Europas mit aktuell 55 000 Medien - deutschsprachige und internationale Lyrik. Sie steht jedermann zur Nutzung offen. Und: Sie wirbt auf verschiedenen Wegen für die Poesie aller Sprachen und Zeiten - etwa durch das Lyrische Quartett, das 2011 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Stiftung Lyrik Kabinett ins Leben gerufen wurde. Nach einem Jahr Pause startet am 22. Februar das Quartett in München in neuer Besetzung mit Hubert Spiegel und Florian Kessler, mit Kristina Maidt-Zinke als Moderatorin und der Schriftstellerin Nora Bossong als Gast.

Frau Maidt-Zinke, haben Sie ein Lieblingsgedicht?

Kristina Maidt-Zinke: Nein. Oder auch viele. Es sei denn, wir einigen uns darauf, den 23. Psalm in der Übersetzung Martin Luthers ein Gedicht zu nennen.

 

Wie unterscheidet sich Ihr Lyrisches Quartett vom Literarischen Quartett im Fernsehen?

Maidt-Zinke: Das Lyrische Quartett hat die italienische Literaturwissenschaftlerin Maria Gazzetti erfunden, als sie das Münchner Lyrik Kabinett leitete. Der Unterschied: Es ist eben kein Fernsehformat, sondern eine öffentliche Veranstaltung. Und wir reden exklusiv über Gedichte, während das Literarische Quartett sich ganz überwiegend mit erzählender Prosa befasst.

 

Das Lyrische Quartett wurde 2011 ins Leben gerufen und fand dann dreimal im Jahr statt. Warum gab es eine einjährige Pause?

Maidt-Zinke: Zwei der festen Mitspieler konnten aus persönlichen Gründen die Verpflichtung nicht mehr wahrnehmen. Weil sie die Veranstaltung sehr geprägt hatten, wurde auf die Auswahl der Nachfolger viel Zeit und Sorgfalt verwendet.

 

Am 22. Februar startet das Quartett in neuer Besetzung. Nach welchen Kriterien haben Sie die Teilnehmer ausgesucht?

Maidt-Zinke: Holger Pils, der amtierende Leiter des Kabinetts, hat nach zwei Literaturkritikern mit hoher Lyrik-Kompetenz gefahndet, die Spaß an der Herausforderung und Lust auf spannende Diskussionen haben. Alle Mitwirkenden kennen und schätzen einander. Ein eingebauter Generationsunterschied macht die Konstellation noch lebendiger.

 

Gast der Runde bei diesem Neuauftakt ist die Schriftstellerin Nora Bossong. Warum haben Sie sie gewählt?

Maidt-Zinke: Eine Dichterin, also eine Vertreterin der lyrischen Praxis, ist das ideale Gegengewicht zu drei Kritikern, von denen zwei überdies männlich sind. Und Nora Bossong, auch als Prosaautorin erfolgreich, zählt zu den profilierten zeitgenössischen Lyrikerinnen.

 

Besprochen werden drei lyrische Neuerscheinungen von Birgit Kreipe, Maren Kames und Carl-Christian Elze. Und ein älteres Werk - diesmal von Reiner Kunze - wird einem "Haltbarkeitstest" unterzogen.

Maidt-Zinke: Es gehört zum Konzept des Quartetts, dass drei Diskutanten jeweils einen aktuellen Gedichtband vorstellen, während einer den Part übernimmt, ein älteres lyrisches Å’uvre auf seine heutige Wirkung und seinen "Ewigkeitswert" zu überprüfen.

 

Wie viele Gedichtbände werden eigentlich pro Jahr in Deutschland publiziert?

Maidt-Zinke: Statistik ist nicht mein Metier, aber man hört von etwa 3000 jährlichen Neuerscheinungen, verteilt auf wenige große und viele kleine Verlage.

 

Gibt es Länder, in denen Gedichte einen höheren Stellenwert haben als bei uns? In denen mehr Gedichte gelesen werden?

Maidt-Zinke: Ohne Gewähr: Es heißt, dass in Diktaturen und totalitären Staaten, wo getarnte Botschaften eine große Rolle spielen, mehr Lyrik im Umlauf sei. Ansonsten würde ich rein gefühlsmäßig auf Island tippen.

 

Wann ist ein Gedicht ein gutes Gedicht?

Maidt-Zinke: Über die Kriterien muss man sich immer wieder neu verständigen. Das ist das weite Feld, auf dem das Lyrische Quartett seine Debatten sät, und der fruchtbare Boden, auf dem eine Veranstaltung wie diese gedeiht: Der Gesprächsstoff geht nie aus.

 

Was hat ein Gedicht einem Roman voraus?

Maidt-Zinke: Nichts. Es sind zwei verschiedene literarische Ausdrucksformen oder Gattungen, die so wenig in einem Konkurrenzverhältnis stehen wie Äpfel und Birnen. Allerdings hat ein guter Apfel einer schlechten Birne eine Menge voraus, und umgekehrt.

 

Die Fragen stellte Anja Witzke.

 

Lyrisches Quartett am 22. Feburar um 20 Uhr im Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München, Karten gibt es an der Abendkasse.