München
Münchens literarisches Gedächtnis

Nach einer grundlegenden Sanierung öffnet die Monacensia heute wieder ihre Tore

08.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:56 Uhr

Foto: DK

München (DK) Man weiß gar nicht so recht, wo man sich hinsetzen will. Ins lichte Atelier oder gleich nebenan ins Café, das von der hellen Wintersonne durchspült wird? In die bequemen Lesesessel im Obergeschoss oder vielleicht doch ins Turmzimmer mit Aussicht? "Das ist schon reserviert", unterbricht Elisabeth Tworek, die Leiterin der Monacensia, die Überlegungen. "Hier darf sich ein Professor niederlassen, der an einer Werkausgabe Frank Wedekinds arbeitet."

Wobei dieses "Erinnerungsvermögen" natürlich immer funktioniert hat. Ein Archiv - und das ist im Fall der Monacensia mit mehr als 200 Nachlässen und um die 350 000 weiteren Dokumenten beträchtlich - muss ja weiterhin zugänglich sein. Zumal, wenn es um die Säulenheiligen des literarischen Münchens geht, also um Frank Wedekind und Oskar Maria Graf, um Annette Kolb und die freizügige Gräfin zu Reventlow, um Lion Feuchtwanger und natürlich den alles überragenden Thomas Mann sowie dessen auch nicht gerade schreibfaule Sippe.

Seit Herbst 2013 wurde die ehemalige Künstlervilla Adolf von Hildebrands (1847-1921) grundlegend saniert, und das war bitter nötig. Einige Räume konnten aus statischen Gründen gar nicht mehr genutzt werden, deshalb hat sich jetzt nach der Überholung die für die Monacensia bespielbare Fläche mit 780 Quadratmetern mehr als verdoppelt. Und man bemerkt sofort die neue Luftigkeit. Das wird sich auch nicht ändern, wenn Wissenschaftler an den modernen PC-Arbeitsplätzen grübeln und sich die Bücherregale weiter füllen mit noch ziemlich lebendigen Münchner Autoren von Friedrich Ani bis Uwe Timm, Lena Gorelik, Hans Pleschinski oder Dagmar Leupold.

Dazu kommt die vom Architekten Lorenz Wallnöfer realisierte Öffnung des Hauses, die vor allem von einem gläsernen Anbau auf der Südseite markiert wird. Durch diese Art Wintergarten konnte die ursprüngliche Atelieratmosphäre wieder hergestellt werden. Denn die bislang zugemauerten Tore sind jetzt durchgängig, und an den Wänden hängen typische Reliefs des Deutschrömers Hildebrand, der München den monumentalen Wittelsbacher Brunnen am Lenbachplatz beschert hat.

Wie es sich für ein Haus der Literatur gehört, ist in diesem großzügigen Raum auch nach der Renovierung eine stattliche Büchersammlung untergebracht. Die Bibliothek des emigrierten Peter de Mendelssohn zählt zu den Kostbarkeiten der Monacensia, sein literarischer Nachlass zu den wichtigsten Quellen der Thomas-Mann-Forschung.

Von diesem einladenden Forum aus gleitet man dann auch gleich ins sinnliche Zentrum des Hauses mit der Dauerausstellung - und schaut auf eine Laute. Frank Wedekind hat auf dem bauchigen Instrument seine unverschämten Lieder begleitet, und damit blüht die wildeste Zeit der Stadt auf. Elisabeth Tworek, die hier einen anregenden wie kurzweiligen Rundgang kuratiert hat, lässt das heute so gediegen brave München mächtig schillern. In Wort und Bild und Ton feiert die Bohème der 10er- und 20er-Jahre wilde Partys. Man wundert sich, dass die Damen und Herren überhaupt noch zur Feder greifen konnten, bei all den vollen Gläsern und leeren Flaschen, zwischen Revue und Brettl und bitterbösem Scharfrichter-Kabarett.

Wie gut, dass es damals auch "Menschen von Erziehung" gab, die "saubere Wäsche und einen heilen Anzug" trugen und keine Lust darin empfanden, "mit ungepflegten jungen Leuten an absinthklebrigen Tischen anarchische Gespräche zu führen". Aus den "Buddenbrooks" wäre andernfalls nie etwas geworden, das hat Thomas Mann klar erkannt - und sich fern gehalten von Schwabinger Exzessen und "mühsamen" Konspirationen. Dennoch wurde aus dem unterkühlt distinguierten Tommy aus Lübeck ein für seine Verhältnisse leidenschaftlicher Münchner. Der Stadt sei er "von Herzen zugetan", schrieb er 1955 wenige Wochen vor seinem Tod an Oberbürgermeister Thomas Wimmer. Zwischen "Bohème und Exil" hat sich unfassbar viel getan im literarischen München der Thomas-Mann-Ära. Und obwohl die neue Dauerschau keineswegs überladen ist und vor allem Lust machen soll, tiefer zu schürfen, kann man auf den paar Quadratmetern leicht der Welt abhandenkommen.

 

Monacensia, Maria-Theresia-Straße 23, München, Eintritt frei.