München
In der Ruhe liegt die Kraft

Das "RischArt"-Projekt vor der Alten Pinakothek: "Parasympathikus" zeigt sechs künstlerische Entspannungstechniken

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr
Ruhe finden in der Großstadt - darum geht es in dem "RischArt"-Kunstprojekt in der Nähe der Alten Pinakothek. So zeigt etwa Alexandra Hendrikoff die orientalisch anmutende "Para-Pagode". −Foto: Markus Amon

München (DK) Das hat grad noch gefehlt: ein Freibad mitten im Kunstareal! Ausgerechnet eine Berlinerin, Ina Weber, kam auf die bezwingende Idee, just auf der südlichen Wiese vor der Alten Pinakothek für Erfrischung zu sorgen. Die Sache hat nur einen winzigen Haken, das Becken ist sehr, sehr klein geraten.

Zumindest bei Erwachsenen muss das Vergnügen im Kopf stattfinden. Doch wer lange genug aufs Wasser starrt, fühlt sich trotzdem irgendwie frischer. Womöglich, weil der "Herr des Schlafes" mehr und mehr das Zepter übernimmt?

Die Rede ist vom Ruhenerv Parasympathikus, der dem 14. "RischArt"-Projekt den Titel gab - initiiert von den Münchner Bäckern und Kunstliebhabern Gerhard und Magnus Müller-Rischart. Drei Wochen lang geht es ums Runterkommen, Innehalten, um die Erholung und das Gewinnen neuer Kräfte, das mitten im urbanen Gedränge so schwer gelingt. Denn hier hat vornehmlich der Gegenspieler Sympathikus die Oberhand, um uns zu immer neuen Höchstleistungen anzutreiben.

Wie man beide Seiten in eine sinnvolle Balance bringt, dafür haben die von Kuratorin Katharina Keller geladenen Künstler natürlich auch kein Patentrezept. Die meisten versuchen allerdings, Ruhepole zu schaffen. Alexandra Hendrikoff aus München etwa hat sich eine "Para-Pagode" einfallen lassen, das ist ein orientalisch anmutender, roter Baldachin über Sitzkissen, die zum Chillen einladen. Wer von unten in die Kuppel blickt, sieht kreiselnde Formationen von Lilienstängeln - ein märchenhafter Kniff, um die Gedanken weit wegschweben zu lassen.

Martin Wöhrl macht es den Parasympathisanten dagegen nicht besonders leicht. In seinem kargen Schrott-Mobiliar braucht man schon einiges an Fantasie, um sich "ruhig und sicher" zu fühlen - das sind die Themen. Sein käfighafter Stuhl erweckt jedenfalls wenig Vertrauen, und auf dem Rasen liegt sich's immer noch bequemer als in Wöhrls glaslosem Aquarium. Aber einschlafen will man dann auch nicht zwischen Freizeitkickern und ausgebüxten Hunden. Das normale Wiesen-Leben geht tatsächlich weiter, so unaufdringlich fügt sich die Kunst hier ein. Selbst das "Blaue Tempelchen", mit dem der Franzose Vincent Tavenne ein fragiles Pendant zum Monopteros im Englischen Garten entworfen hat, darf als Miniaturlaube für unerschütterliche Romantiker herhalten. Inklusive Verkehrslärm.

Wegtauchen kann man immerhin in Wolfgang Ellenrieders "Dach über dem Kopf". Nur kommt in diesem Abfallholzhaus auf Stelzen kaum einer zur Ruhe, denn ist der Oberkörper endlich durch eins der Bodenlöcher gezwängt, kreist das Auge durch wild bestückte Illusionsräume. Und auch die in München omnipräsente Beate Engl will sich nicht als Fluchthelferin aus dem Alltag verdingen. Aus ihrem Leierkasten tröten täglich sechs Zeitungsnachrichten, transformiert in repetitive Töne. "Ob wir eine Todesfuge oder einen mitreißenden Sommerhit zu Ohren bekommen, liegt letztlich bei den Machthabern - sowie den Friedensstiftern", heißt es im Kommentar. Da hilft nur der schnelle Sprung in Ina Webers Freibad. Kopfüber.

 

RischArt-Projekt, Südweise vor der Alten Pinakothek an der Gabelsbergerstraße in München, bis 16. Juli, www.rischart.de/art.