München
"Ich mag keine Schubladen"

Jule Ronstedt ist als Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin erfolgreich – Jetzt schreibt sie auch Romane

20.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

 

München (DK) Sie sind auf der Suche. Nach der großen romantischen Liebe, nach Sex, nach der Erfüllung des Kinderwunsches. Und dafür macht keiner Halt vor Seitensprüngen. Gerade ist die Beziehungskomödie „Bocksprünge“ im Kino angelaufen. Und mitten drin im Affärenchaos: Jule Ronstedt. Ein bekanntes Gesicht in der deutschen Filmszene. Und das nicht erst, seit sie 2008 für die Titelrolle der BR-Serie „Franzi“ engagiert wurde. Schon früh weiß die Münchnerin (Jahrgang 1971), wohin sie ihr Weg führen wird. Mit sieben Jahren verkleidet sie sich gern. Vielleicht auch deshalb, weil ihre Mutter nicht nur den hippen „Leopoldmarkt“ in Schwabing führt, sondern sogar ein eigenes Modelabel (Rosa Ronstedt) hat.

Während eines Urlaubs mit den Eltern in Frankreich konkretisiert sich der Berufswunsch Schauspielerin. „Französisch sprechen fand ich chic. Ich hatte so ein Bild davon, dass man als Schauspielerin immer irrsinnig schön angezogen ist und Französisch spricht. Also habe ich meine Eltern den ganzen Urlaub lang mit meinem selbst erfundenen Französisch genervt – und wollte unbedingt“ (Jule Ronstedts Stimme wird kindlich-heller und affektiert) „,Schauspielerin‘ werden. Dann war das in der Welt“, erzählt sie. „Lustig ist es schon, wenn man so klein einen Entschluss fasst – und ihn gar nicht mehr hinterfragt, sondern konsequent den Weg weiterverfolgt.“

Schultheater, erste Regiearbeiten, erste Stücke. Nach dem Abitur gibt es zwar auch Interesse für ein Regie- oder ein Journalistikstudium („auf jeden Fall hatte es mit Worten zu tun, mit Geschichten erzählen“), auch für andere Städte, aber schließlich landet Jule Ron-stedt an der Neuen Münchner Schauspielschule. „Ich hatte es dann auch ein bisschen meinem Schicksal überlassen, wo es mich hintreibt.“ Noch heute lebt sie mit ihrer Familie in Haidhausen. „Ich mag München“, sagt sie. „Und ich mag hier nicht mehr weg.“

Noch vor dem Abschluss wird sie für die Rolle der Alicia in der Familienserie „Aus heiterem Himmel“ gecastet. „Als mir dann mitgeteilt wurde: ,Okay, wir hätten Sie gern, das sind 120 Drehtage im Jahr‘, war meine Antwort: ,Dann geht das nicht. Ich bin ja noch auf der Schauspielschule.‘ Ich wollte ja auch gar nicht drehen, ich wollte ans Theater“, erinnert sie sich. Und lacht. Glücklicherweise stehen Jule Ronstedt kluge Berater zur Seite, die ihr die Möglichkeiten eines solchen Angebots aufzeigen. Sie nimmt an, spielt sich zwei Jahre lang durch das turbulente Leben der Alicia, die unbedingt die Welt verbessern will und dabei oft mit dem Kopf durch die Wand geht.

Nebenbei arbeitet sie an ihrem Rollenrepertoire. Und schafft es 1996 an die Münchner Kammerspiele – damals noch unter der Intendanz von Dieter Dorn. Dort lernt sie vor allem, Sprache zu sezieren. „Gerade Dieter Dorn kann einem diese Arbeit mit und an der Sprache großartig nahebringen. Selbst komplizierteste Werke. Euripides, Shakespeare – wenn Dorn das am Tisch mit einem zerpflückt, dann weiß man hinterher genau, was man da auf der Bühne sagt.“ Jule Ronstedts wichtigste Rolle dort: die Jungfrau Elsa in Tankred Dorsts „Legende vom armen Heinrich“ an der Seite von Manfred Zapatka. Aber auch als Gretchen im „Urfaust“ ist sie zu sehen. „Diesen Klassiker lebendig zu machen, ihn auch Vorstellung für Vorstellung neu zu entdecken, das fand ich anspruchsvoll und toll. Das ist es auch, was ich beim Drehen manchmal vermisse – in die große Sprache einzutauchen.“

Doch das Theaterleben ist nicht sehr „familienkompatibel“. Auch das soziale Leben bleibt häufig auf der Strecke. 2001 wird Jule Ronstedts Tochter geboren. Sie verlegt sich wieder aufs Drehen. Wird in Marcus H. Rosenmüllers Erfolgsstreifen „Wer früher stirbt, ist länger tot“ als Entdeckung gefeiert, obwohl sie doch eigentlich schon lange im Geschäft ist.

Dann kommt „Franzi“, diese wunderbare Serie von Peter Bradatsch, die von lauter Mittdreißigern in einer oberbayerischen Kleinstadt erzählt. Und dem, womit sie sich so rumschlagen: Liebe, Familiengründung, Sesshaftigkeit oder doch Veränderung und Aufbruch ins Unbekannte? Vier Jahre lang spielt Jule Ronstedt die Titelheldin. Sie wird oft darauf angesprochen, erinnert sich auch gern an die „tolle Ensemblearbeit“ mit Kollegen wie Gisela Schneeberger, Sebastian Bezzel oder Stefan Zinner. „Ich vergleiche diese Serien gern mit einem Paar Schuhe. Man zieht sie an und sie passen. Und manchmal kann man auch damit rennen oder große Schritte machen.“ Aber irgendwann sind sie dann eben aufgetragen. „Für mich hat dieser Beruf auch seinen Reiz darin, dass man immer wieder etwas anderes ausprobiert“, sagt Jule Ronstedt.

Weil ihr das Theater immer wieder fehlt, arbeitet sie hin und wieder auch als Regisseurin. Allein an der Münchner Schauburg sind vier Inszenierungen von ihr zu sehen. „Back to the roots“, nennt sie das. „Aber nach der Premiere muss ich nicht mehr spielen, sondern kann nach Hause gehen“, sagt sie und lacht. „Und vor allen sind es meine Ideen, die ich da umsetzen kann.“

Daneben schreibt sie auch Drehbücher. „Fräulein Karla“ steht etwa im Mittelpunkt zweier Kurzfilme aus ihrer Ideenwerkstatt. „Plötzlich habe ich gemerkt, dass Fräulein Karla eigentlich eine tolle Romanfigur abgäbe – und dass ich gern mal diese literarische Form ausprobieren möchte.“ Doch davor muss Jule Ronstedt noch ein anderes Projekt fertigstellen. 2007 wurde ihr Stück „Südseekeller“ an der Schauburg uraufgeführt. Im Frühjahr dieses Jahres gab es ein Hörspiel davon – und jetzt hat ein Verlag angefragt, ob sie nicht einen Jugendroman daraus machen möchte. Sie möchte. Erscheinungstermin? Noch unbekannt.

Denn nach wie vor dreht sie ja. Heute Abend ist sie beispielsweise in der ARD in dem Film „Die Sache mit der Wahrheit“ zu sehen. An der Seite von Christiane Paul. „Interessante Frauenfiguren sind rar“, sagt Jule Ronstedt. „Deshalb war diese Arbeit, wo sich zwei starke Frauenfiguren begegnen, so toll.“ In dem Drama, das im Rahmen der ARD-Themenwoche „Toleranz“ ausgestrahlt wird, treffen sich die ehemaligen WG-Genossinnen Michelle (Christiane Paul) und Doro (Jule Ronstedt) nach 20 Jahren zufällig wieder. Sie wollen ihre alte Freundschaft wieder aufleben lassen. Irgendwann stellt sich heraus, dass beide ihr Leben auf Lügen aufgebaut haben. Michelle ist keine Stewardess, die um die Welt jettet, sondern Kellnerin. Und Doros vermeintliche LBS-Vorzeigefamilie zerbricht, als herauskommt, dass ihr Mann eine heimliche Affäre hat – mit einem Mann. „Da ist schon was zu spielen“, sagt Jule Ronstedt. „Da geht es ans Eingemachte.“

Außerdem hat sie gerade eine Komödie fürs ZDF abgedreht. In „Die Insassen“ (Regie: Franziska Meyer Price) geht es um vier Burnout-Patienten, die innerhalb ihres Klinikaufenthalts heimlich weiter arbeiten und die Klinik an die Börse bringen wollen – als „Club Med unter den Managerkliniken“. Ein Sendetermin steht noch nicht fest. „Auch wenn ich oft als Komödientante besetzt werde – ich mache alles wirklich gleich gern“, sagt Jule Ronstedt. „Deshalb versuche ich, bei der Rollenauswahl immer auf Unterschiedlichkeit zu achten – ein anderes Genre, einen anderen Ton, eine andere Atmosphäre. Ich mag nicht in eine Schublade gesteckt werden.“

„Die Sache mit der Wahrheit“ wird heute, Freitag, um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt. „Bocksprünge“ (Regie: Eckhard Preuß) ist diese Woche in den Kinos angelaufen.