München
Die Weltseele hat Farbe

Das Museum Ägyptischer Kunst München zeigt Zygmunt Blazejewskis Rollenbibliothek "Anima Mundi"

30.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:37 Uhr

München Es juckt einen förmlich in den Fingern, über die bunten Lagen zu streichen. So, wie man das in den letzten paar Stoffgeschäften der Stadt tun kann. Zygmunt Blazejewski gefällt dieser Gedanke, die Frage ist nur, wie lange seine Kunst diese Tuchfühlung überstehen würde.

Zumindest ohne die üblichen Blessuren.

210 Bilderrollen hat er über mehrere Jahre geschaffen - jetzt liegen sie in München im Museum Ägyptischer Kunst fein säuberlich in einem überdimensionalen Regal von elf Metern Länge und sechs Metern Höhe. Mehr lässt der Ausstellungsraum gar nicht zu, und mehr könnte man auch schwerlich fassen von dieser Rollenbibliothek der etwas anderen Art. "Anima Mundi" lautet der Titel, und welche Definition der "Weltseele" von Platon bis C. G. Jung hier am besten passt, darf jeder selbst entscheiden.

Für Blazejewski, der durch seine gläserne Brunnenskulptur (2000) vor dem Festspielhaus in Füssen bekannt wurde, ist diese Bilderbibliothek auch eine Summa des eigenen Lebens. Dazu gehören die alltäglichen Banalitäten genauso wie die großen Träume und Visionen, denen man sich zwischendurch ja doch hingibt. Gerade als Künstler. Wobei der 65-Jährige weder abheben konnte, noch wollte. Mitte der 90er, als die Rollbilder auf Baumwolle und Nessel entstanden sind, ist er in Frankfurt Bus gefahren, um das Familieneinkommen zu sichern. "Da lernt man mehr als auf der Akademie", meint er. Sowieso fänden die Mysterien im Hauptbahnhof statt, zitiert Blazejewski augenzwinkernd Joseph Beuys, und eben nicht im Goetheanum - oder im Elfenbeinturm. Die Rollenbibliothek, die in Teilen zum ersten Mal auf den Dächern des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt zu sehen war, sei in München nun genau so präsentiert, wie er das vor 20 Jahren konzipiert habe, sagt der Künstler. Und in Reichweite zu den alten Ägyptern tun sich noch ganz andere Verbindungen auf wie etwa die zur legendären Ur-Bibliothek von Alexandria.

In München gibt es für Zygmunt Blazejewski allerdings noch einen persönlichen Anknüpfungspunkt. Hier ist er aufgewachsen, bevor er in den 70er-Jahren nach Graz zum Kunststudium ging. Mit betörender Farbwucht kehrt er jetzt zurück, und weil das Apfelgrün und das Gelb, das Rosa und das Aquamarin grad so schön leuchten, würde man die Bilder am liebsten aus den Regalen nehmen und entrollen. Blazejewski weiß, dass die Besucher am Verborgenen interessiert sind und hat vorgesorgt: An Medienstationen kann man sich durch sämtliche Malereien klicken und das Spiel zwischen überwiegend abstrakten Partien und einer menschlichen Silhouette erkunden. Das ist charmant, aber natürlich nichts gegen das Original.

Rollenbibliothek Anima Mundi, bis 23. September, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, Mi bis So 10 bis 18, Di bis 20 Uhr.