München
Der Nikolaus mit Omas Hausschuhen

Kabarettist Hannes Ringlstetter spricht über seine Vorbilder und sein "Vereinsheim Schwabing", das ab heute auch im Ersten läuft

25.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

 

München (DK) Zunächst war das „Vereinsheim Schwabing“ einfach eine Brettlbühne für Kleinkunsttalente. 2012 wurde daraus – begrenzt auf 45 Minuten – ein Fernsehformat. Zu später Stunde präsentierte Moderator, Kabarettist und Musiker Hannes Ringlstetter (44) Neues aus der Szene im Bayerischen Fernsehen. Heute nun wird seine Talentschmiede zusätzlich zum Bayerischen Fernsehen auch im Ersten um 23.30 Uhr zu sehen sein. Ob sich dadurch etwas ändert, warum er eigentlich Pfarrer werden wollte und warum er ausgerechnet Toni Soprano und seine Oma zu seinen Vorbildern zählt – darüber spricht Hannes Ringlstetter im Interview.

 

Hannes Ringlstetter, erklären Sie uns die Besonderheiten Ihres „Vereinsheims Schwabing“.

Hannes Ringlstetter: Zum einen gibt es keine Form-Vorschriften: Hier findet Kleinkunst auf allen Ebenen statt – Comedy, Stand-up, Kabarett, Musik, Poetry-Slam, Zauberei, Sonstiges. Zum Zweiten legen wir Wert auf Nachwuchsarbeit: Das heißt, bei uns sieht man Leute, die man noch nicht so oft gesehen hat. Und zum Dritten: Es gibt einen besonderen Umgang untereinander – in lockerer Atmosphäre.

 

Suchen Sie Ihre Gäste selbst aus?

Ringlstetter: Die Auswahl der Gäste ist eine Gemeinschaftsproduktion aus vier Leuten. An diesem Donnerstag sind beispielsweise der österreichische Sänger und Schauspieler Stefan Leonhardsberger, der Poetry-Slam-Meister Jan Philipp Zymny, der Kabarettist Nico Semsrott und der Gitarrist, Sänger und Schauspieler Mathias Kellner eingeladen. Und unser Vereinsheim-Schankkellner Björn Puscha hält einen ganz speziellen Lateinkurs ab.

 

Warum wird die Show eigentlich so spät ausgestrahlt? Sind die Kabarettgucker eher Nachteulen oder sind Ihre Texte nicht jugendfrei?

Ringlstetter: Ich kann die Frage schwer beantworten, weil ich kein Sendeplaner bin. Mir war es ehrlich gesagt immer recht, dass „Vereinsheim Schwabing“  nicht in der sogenannten Primetime läuft, weil man dadurch tatsächlich freier ist. Natürlich ist es ein bisschen nervig, wenn man ständig darauf angesprochen wird, dass die Sendung so spät läuft – ich bin ja viel unterwegs –, aber ich denke, das Fernsehverhalten ändert sich sehr stark. Kaum jemand sieht die Sendungen zu der Zeit, in der sie auch tatsächlich laufen. Es gibt einfach andere Möglichkeiten.

 

Gibt es ein Lieblingsrequisit im „Vereinsheim“?

Ringlstetter: Der Sessel, auf dem ich seit 2006 sitze. Den haben wir im Keller gefunden und raufgeschleppt. Ich freue mich für ihn, dass er es jetzt auch ins Erste geschafft hat.

 

Wird jetzt zur Fastenzeit im „Vereinsheim“ eigentlich Starkbier getrunken?

Ringlstetter: Starkbier ist nicht meine Welt. Wenn schon Bier, dann Pils. Denn eigentlich spreche ich auch eher dem Wein zu. Aber im „Vereinsheim“ darf jeder trinken, was er will. Es gibt alles außer Kaffee.

 

Hat sich das Kabarettmachen nach den Anschlägen von Paris auf Charlie Hebdo geändert? Denkt man mehr über seine Arbeit nach?

Ringlstetter: Man kommt dem Thema nicht aus. Natürlich beschäftigt man sich wie jeder andere mit den Fragen, die damit zusammenhängen. Was sind religiöse Gefühle? Aber eigentlich ist Satire nicht die Kunstform, die ich betreibe. Ich versuche, Unterhaltung mit Haltung zu machen. Und dabei halte ich mich hauptsächlich in Mikrokosmen auf. Die große Welt zu erklären, halte ich im Jahr 2015 nicht mehr für möglich. Abgesehen davon ist sie mir komplett suspekt.

 

Stimmt es, dass Sie mal Pfarrer werden wollten?

Ringlstetter: Ja. Und auf eine gewisse Art bin ich es doch auch geworden. Ich stell mich hin und sag gescheite Sachen – und die Leute müssen still sein. Im Ernst: Ich stelle bei mir schon einen Hang zur Show fest – und den lernt man sehr gut in der katholischen Kirche. Ich war lange Zeit Ministrant und fühlte mich aufgehoben in dieser Welt. Ich bin ein empathischer Mensch – sich kümmern ist keine schlechte Idee. Aber das war alles noch vor der Geschlechtsreife. Später kam die Erkenntnis, dass zölibatäres Leben mit mir wohl nichts werden wird.

 

Sie nennen als Vorbilder Qualtinger, Kreisler, Toni Soprano und die Oma als Nikolaus. Das müssen Sie erklären.

Ringlstetter: Qualtinger kannte ich von den Travnicek-Singles meines Vaters – und er beeindruckt mich bis heute. Er ist in seiner Skurrilität und in seiner Herangehensweise an Mikrokosmen einzigartig. Kreisler hat daraus intelligentes Liedgut gezaubert. Und er hat diesen wienerisch-österreichisch-jüdischen Humor – einen der feinsten und gemeinsten überhaupt –, den ich sehr schätze. Die „Sopranos“ sind meine Lieblingsserie – und Toni Soprano vom Psychischen mir nicht unähnlich. Und meine Oma als Nikolaus war die erste schauspielerische Leistung, die ich erlebt habe. Es hieß: Der Nikolaus kommt. Und er kam mit allem Drum und Dran. Meine Reaktion: „Der hat die Hausschuhe von der Oma an.“ Deshalb flog die Nummer auf. Mein Erkenntnisgewinn im Alter von fünf Jahren: Schlechtes Spiel und schlechte Requisiten haben fatale Folgen.

 

Sie haben in Regensburg Geschichte und Germanistik studiert. Mit welchem Ziel?

Ringlstetter: Ich habe das studiert, was mich interessiert hat. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Unterschied zu heute. In den 80er Jahren ging es noch um Erkenntnisgewinn, um Wissensaneignung. Ich hatte mich fürs Lehramt eingeschrieben, aber nach der Zwischenprüfung festgestellt, dass ich sicher nicht Lehrer werden will. Also bin ich auf Magister umgestiegen – ohne jede Ahnung, was ich damit machen werde. Aber ich fand das gut, diesen Gedanken des Studierens, dass man in Freiheit seinen Horizont erweitern kann. Auch die Notwendigkeit, dass man nebenbei jobben musste. Ich finde es gesund, wenn man sich tagsüber mit Georg Büchner beschäftigt und am nächsten Tag Stückgut fährt mit einem Lkw. Das ist eine gute Mischung.

 

Bisher waren Sie im Bayerischen Fernsehen zu sehen, jetzt wechseln Sie ins Erste. Macht das für Sie einen Unterschied?

Ringlstetter: Für mich nicht. Es ist kürzer. Aber das Drumherum ist größer. Vielleicht auch, weil ich ja derzeit mit zwei Projekten im Ersten zu sehen bin: „Dritter Stock links“ und „Vereinsheim Schwabing“.

 

Gibt es aktuelle Projekte?

Ringlstetter: Im Moment schreibe ich ein Buch über 25 Jahre Rock ’n’ Roll, die ich hinter mir habe. Seit ich 18 bin, gehe ich auf die Bühne, habe Bands gegründet und viele schräge Geschichten erlebt. Darüber schreibe ich. Erscheinungstermin soll im Oktober sein. Und außerdem plane ich ein neues Band-Projekt. Nach meinem Country-Projekt gibt es nächstes Jahr eine neue Tour, die an das neue Buch gekoppelt sein wird und auch den gleichen Titel trägt: „Paris – New York– Alteiselfing“. Alteiselfing als Synonym für unwichtige Orte in der Provinz.

 

Die Fragen stellte Anja Witzke.

 

„Vereinsheim Schwabing“ läuft heute, Donnerstag, um 23.30 Uhr im Ersten.