München
Der Künstler als Eigenmarke

Die Neue Pinakothek München zeigt Selbstinszenierungen im 18. und 19. Jahrhundert

26.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

Setzten sich und andere in Szene: Édouard Manet mit „Die Barke. Monet peignant dans son atelier“ (großes Foto), Paul Cézanne und sein Selbstbildnis (oberes kleines Foto) und Wilhelm Leibl mit „Der Maler Schuch“ - Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Neue Pinakothek

München (DK) Was macht eigentlich einen Künstler aus? Wie inszeniert er sich selbst und seine Arbeit auf der Leinwand? Und welche Rollen spielen Frauen im Atelier? Spannende Fragen, denen die Ausstellung „KünstlerBilder“ in der Neuen Pinakothek nachgeht. In deren Beständen konnte Kurator Andreas Plackinger aus dem Vollen schöpfen – und er zeigt nicht nur bekannte Bilder aus dem 18. und 19. Jahrhundert, sondern unter den 50 Exponaten auch Werke, die über Jahrzehnte im Depot schlummerten. Mit dieser Schau ist er einer frühen Form des „Selfies“ auf der Spur, des fotografischen Selbstporträts, mit dem in digitalen Medien und sozialen Netzwerken unserer Zeit das eigene Image modelliert wird.

Seit Albrecht Dürer ist es der Blick der Augen, der den Betrachter eines Selbstbildnisses in den Bann ziehen will. Mit gehörigem Selbstbewusstsein schaut auch Angelika Kauffmann aus der Leinwand heraus, auf der sie sich 1784 als Porträt-Künstlerin malte – mit Turban und Samtstola als Reverenz an die orientalische Mode. Sie hat als Malerin Karriere in Rom und London gemacht und ist somit eine Ausnahme im damaligen Kunstbetrieb. Bei ihren Geschlechtsgenossinnen verhielt sich das anders: Die eine war die „Frau des Künstlers“ und posierte für Fritz von Uhde mit ihren Kindern im Garten, die andere zeigt sich als Aktmodell in lasziver Pose: Das Gemälde von Hugo von Habermann ist mit seinen Rosétönen eher eines aus der „zweiten Reihe“ im Depot.

Vielfältig sind die Vorbilder, nach denen die Künstler sich selbst in Szene setzen. Franz Hals und Peter Paul Rubens standen Pate, als Franz von Lenbach seinen Kopf von einem Hut rahmen ließ, Wilhelm Busch stellt sich als Charakterkopf in altmeisterlichen Brauntönen, aber mit roter Nase und in lebhaftem Pinselduktus dar. Hintergründig ist das Doppelbildnis aus der Hand des Hans von Marées: Er zeigt sich ironisch lächelnd hinter Franz von Lenbach, versteckt aber dessen Augen hinter spiegelnden Brillengläsern und bringt damit die Problematik der Freundschaft mit dem erfolgreichen Kollegen zum Ausdruck.

Mit diesen Bildnissen wollten die Künstler „sich selbst zur Marke machen“, so Kurator Plackinger. Vor allem unter Ludwig I. suchte man nach dem Bild des Künstlers wie die Romantiker nach der blauen Blume – die „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ von Wilhelm Heinrich Wackenroder waren das programmatische Buch hierzu. Künstlerfeste in Rom wurden nicht nur gefeiert, sondern auch auf Leinwand festgehalten, und Ludwig ließ selbst die Außenwände der Neuen Pinakothek mit Künstlerbildnissen schmücken.

Aber was wären Ruhm und Bohème des Künstlerdaseins ohne den Geniekult? Eines der schönsten Bilder der Schau zeigt den siebenjährigen Oscar Begas, in schwarzem Samtmantel und mit Palette vor der Staffelei, umringt von großen Leinwänden seines Vaters Carl Joseph Begas, der 1835 den Knaben als Wunderkind porträtiert. Vier Jahrzehnte später verlassen die impressionistischen Maler ihre Ateliers und arbeiten draußen in der Natur. Édouard Manet malt seinen Kollegen Claude Monet mit Frau und Staffelei auf einer Barke in der Seine, inmitten der Industrielandschaft vor den Toren von Paris. Die Frau des Künstlers ist Muse, die ganze Welt ist das Atelier, und weil Kirche und Adel als Auftraggeber mehr und mehr zurücktreten, muss sich der Künstler als freier Unternehmer auf dem Kunstmarkt behaupten. Die Ausstellung stellt auf beispielhafte Weise vor, wie Künstler sich als traditionsbewusster Maler, als modebewusster Dandy, als genießender Bohémien in der Stadt oder zurückgezogen auf dem Land lebend inszenieren. Einziger Kritikpunkt: Der weiße Marmorboden überstrahlt die delikaten Farben auf der Leinwand und die Beleuchtungskörper werfen neongrüne Reflexe auf die verglasten Bilder. Die Werke werden in einem Raum gezeigt, der schlicht ungenügend ist.

Bis zum 8. Juni in der Neuen Pinakothek (Untergeschoss), geöffnet donnerstags bis montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr.