Mainz
Spekulativ, aber packend

Der ZDF-Fernsehfilm "Verräter Tod am Meer" ist ein wilder Mix aus Polit-Thriller und Räuberpistole Von RAF-Terroristen und der Stasi

20.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Mainz (DK) "Wenn das wirklich wahr ist, was du sagst, dann stimmt ja nichts mehr", sagt der junge Volkspolizist Martin Franzen, als er die undurchsichtige Nina trifft. Wenige Tage zuvor hat er gemeinsam mit einem Kollegen der DDR-Grenzpolizei eine Frauenleiche aus der Ostsee gezogen.

Das Opfer, Johanna Schön, wurde erschossen. Alles sah nach Republikflucht aus, doch Martin hat so seine Zweifel. Ein Brief, den das Opfer kurz vor ihrem Tod verfasst hat, führt ihn nach Berlin - eben zu dieser Nina. Die erzählt ihm, dass sie und auch die getötete Johanna aus der BRD stammen und im Westen gesuchte RAF-Terroristinnen waren. Die Stasi nahm sich ihrer an und nun soll sie für ein geplantes Attentat auf einen westdeutschen Banker reaktiviert werden. Gegen alle Vernunft entscheidet sich Martin, mit Nina zu fliehen.

"Verräter - Tod am Meer", die Verfilmung von Christa Berbuths Roman "Innere Sicherheit", spielt 1988 und ist eine wilde und spannende Mischung. Der Film beginnt eher verhalten als Krimi, wird zum Polit-Thriller und schließlich zum Road-Movie. Und er ist auch ein Stück Räuberpistole, denn er nutzt historische Fakten und vermischt sie mit Spekulationen über ein düsteres Kapitel deutsch-deutscher Geschichte. Dass RAF-Terroristen in der DDR untergetaucht sind und von der Stasi mit neuen Identitäten ausgestattet wurden, das ist Fakt. Dass der Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989 (wird im Film nie beim Namen genannt) einem Attentat zum Opfer fiel, auch das ist Realität.

Die Krimi-Erprobten Autoren Stefanie Veith und Nils Willbrandt spielen in der Bearbeitung der Vorlage mit diesen realen Ereignissen und stellen interessante Bezüge her. So ist "Verräter" der durchaus verwegen-spekulative, aber auch packend-psychologische Versuch, Verstrickungen zwischen Stasi, RAF und dem BND aufzuzeigen. Regisseurin Franziska Meletzky (demnächst mit der DDR-Komödie "Vorwärts immer!" im Kino) setzt gemeinsam mit ihrer Kamerafrau Bella Halben die Story sehr atmosphärisch und authentisch um. Die dramatischen Ereignisse an der Ostsee, Stasi-Verhöre samt Kaltwasser-Folter, die Bespitzelung auf Straßen, in Kneipen und in den eigenen vier Wänden sind gut eingefangen. Und im zweiten Teil des beklemmenden Films, wenn Martin und Nina wie Bonnie und Clyde im gestohlenen Lada über abgelegene Straßen und später zu Fuß durch Wälder und Wiesen Richtung polnische Grenze fliehen, gelingen eindringliche und imposante Bilder.

Albrecht Abraham Schuch, kürzlich für seine Rolle als rechtsradikaler Mörder Uwe M. in dem Dreiteiler "Mitten in Deutschland: NSU - Die Täter" mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, als verunsicherter junger Vopo, und die wunderbare Hannah Herzsprung als undurchsichtige Ex-Terroristin tragen mit ihrem nuancierten Spiel diesen sehenswerten Film über Verrat und Vertrauen.

Heute, ZDF, 20.15.