Mainz
Im Schattenreich der Seele

Volker Schlöndorff verfilmt Friedrich Anis Krimi "Der namenlose Tag"

04.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

Foto: DK

Mainz (DK) "You made my day", antwortete Volker Schlöndorff, als er das Angebot erhielt, Friedrich Anis Roman "Der namenlose Tag" zu verfilmen. Wen wundert's, schließlich ist Anis Buch ein Beststeller, der Autor erhielt dafür den Deutschen Krimipreis 2016. Das Drehbuch selbst schreiben, das wollte der Autor aber nicht, so übernahm Oscar-Preisträger Schlöndorff ("Die Blechtrommel", "Homo Faber") diese Aufgabe gleich mit. Mit dem Ergebnis ist Ani hoch zufrieden: "Der Film ist ein Ereignis - visuell, stilistisch, erzählerisch. Schlöndorff hat einen Kriminalfilm der besonderen Art geschaffen, und Thomas Thieme als Jakob Franck stellt alles in den Schatten, was ich in den letzten Jahren in der Darstellung von Kriminalkommissaren gesehen habe", sagt der Schriftsteller, der mit "Kommissar Süden" und "Franziska Luginsland" bereits zwei Ermittler erschaffen hat, die fürs ZDF verfilmt wurden.

Dieser Jakob Franck ist eine ungewöhnliche Figur. "Über Recherchen zu einem anderen Thema traf ich auf eine Kommissarin, die viele Jahre die Aufgabe übernommen hatte, Angehörigen Todesnachrichten zu überbringen", sagt Ani, "ich führte weitere Gespräche zu dem Thema, las Sachbücher und hatte plötzlich die Idee zu einer neuen Kommissarfigur."

Franck, geschieden, pensioniert, lebensklug, die Ruhe in Person, überbringt auf einfühlsame Weise "traurige Nachrichten". Eines Tages steht Ludwig Winther vor seiner Türe und macht ihn mitverantwortlich für den Tod seiner Frau Doris. Sie hat sich erhängt, zwei Jahre nach dem als Selbstmord abgehakten Tod der gemeinsamen Tochter Esther. Franck glaubt dem psychisch labilen Mann, erinnert sich, wie er damals beim Überbringen der Nachricht der Mutter sieben Stunden lang in stiller Umarmung beigestanden hat. Jetzt will er herausfinden, was geschehen ist, ob "jemand Esther im Stich gelassen hat, als sie in Not war".

Anis kluger und feinsinniger Kriminalroman führt in das Schattenreich der Seele, der Autor beobachtet seine Figuren, schafft ohne Verfolgungsjagden und Schusswechsel jede Menge Spannung. So hat Schlöndorff "Der namenlose Tag" auch inszeniert, atmosphärisch dicht, mit Hell-Dunkel-Kontrasten, einer klaren Kameraführung (Tomas Erhart) und einer für einen Krimi ungewöhnlichen Musik. Es gibt viele Rückblenden, die sich ho-mogen einfügen, herausgekommen ist ein Film aus einem Guss. "Gedankenfühligkeit" heißt die Methode, mit der dieser Jakob Franck arbeitet. Thomas Thieme spielt ihn mit einer Ruhe, Intensität und Souveränität - ein Glücksgriff für diesen Film. Überzeugend auch Ursina Lardi in der Doppelrolle als Zwillingsschwestern Doris (in Rückblenden) und Inge, die sie eindrucksvoll als Ungleiche spielt. Schließlich Devid Striesow als Witwer und Kleinbürger Winther. Alle liefern große Schauspielkunst in einem Film, der - da ist sich der Kritiker mit Friedrich Ani einig - wirklich ein Ereignis ist.

"Der namenlose Tag" läuft heute um 20.15 Uhr im ZDF.