Köln
Zwischen Wegschauen und Schweigen

Der neue Kölner "Tatort" führt die Kommissare Ballauf und Schenk in eine gruselige Vorstadtsiedlung

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Schnell nach Hause: Sandra Voigt (Claudia Eisinger, vorne) wird aus dem Krankenhaus entlassen. Die Kommissare (Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt) sind skeptisch. - Foto: Menke/WDR

Köln (DK) Diese Kommissare tun wirklich etwas für unsere Fernsehgebühren: Der "Tatort: Nachbarn" ist der dritte Fall binnen zwei Monaten für das Kölner Ermittlerduo Ballauf und Schenk. Kluge Programmplanung im Ersten sieht anders aus. "Nachbarn" kommt ohne Wurstbude am Rhein aus, wurde gedreht in einer Siedlung, die nicht in Köln liegt, sondern in Leverkusen, aber wie immer mit einer parallel erzählten privaten Geschichte der Kommissare. Diesmal trifft es Schenk: Der hat Ärger mit einem Nachbarn bzw. dessen krächzendem Ara-Papagei, der ihn um die Nachtruhe bringt.

Ein Einstieg mit Schockeffekt. Ein Mann fällt mitten in der Nacht von einer Brücke und wird von einem LKW überrollt. Selbstmord? Nein, er war zu diesem Zeitpunkt bereits tot - erschlagen. Die Leiche wurde zur Brücke transportiert. Spuren der Tat finden sich im Schlafzimmer des kleinen Häuschens in einer Kölner Vorstadtsiedlung, in dem der geschiedene Mittvierziger gelebt hat. Ganz allein, seit ihn seine Frau vor Jahren verlassen und die Tochter mitgenommen hat. Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) befragen die Nachbarn und erfahren, dass der Mann sich sehr zurückgezogen hatte. Nur mit Nachbar Leo Voigt lag er im erbitterten Streit um die Grundstücksgrenze und die Bepflanzung: Zypressen. Bald wird den Kommissaren klar: Voigt ist nicht der Einzige in der Nachbarschaft, der mit dem Opfer zu tun hatte, manche Verbindung versuchen die Bewohner mit aller Macht geheim zu halten. Neben den Voigts sind das noch die Scholtens und das Ehepaar Möbius.

Ein kleines Gruselkabinett wohnt da in unmittelbarer Nachbarschaft. Gruselig sind weniger die Menschen denn die bürgerliche Fassade und die Konstellationen, die sich dahinter verbergen. Von wegen, gute Nachbarschaft. Nach außen ist alles freundlich und geordnet. Doch die scheinbare Idylle ist trügerisch und kann für den Einzelnen zur Hölle werden. Das zeigt Autor Christoph Wortberg. Den kennt man als Schauspieler (Frank Dressler aus der "Lindenstraße"). Er schickt die Kölner Kommissare in eine Welt, die keine Einblicke gewähren will. Ballauf und Schenk sind Störenfriede. Wenn sie auftauchen, schaut man weg oder lässt die Rollläden herunter. "Keiner hat was gesehen oder gehört", bemerkt Freddy sarkastisch über die Bewohner der waldig gelegenen Siedlung, in der jeder über jeden Bescheid zu wissen scheint. Doch je mehr die Ermittler herumstochern und Fragen stellen, desto mehr bittere Wahrheiten und Lebenslügen kommen ans Tageslicht. In Szene gesetzt hat das Nachbarschaftsdrama Torsten C. Fischer. Es ist bereits sein siebter "Tatort" mit dem Duo. Visuell abwechslungsreich lässt er die Zuschauer eintauchen in diese kleinbürgerliche und kleinkarierte Vorstadtsiedlung. Die Häuser, die Wohnungen, die Einrichtungen - all das ist gut eingefangen, zeigt, wie die Menschen leben und wie sie sind. Die Tätersuche gerät fast zur Nebensache, man befasst sich mehr und mehr mit diesen Konstellationen voller Irrungen und Wirrungen zwischen Wegschauen und Schweigen.

"Tatort: Nachbarn" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.