Köln
Der Meister des Zufalls

Museum Ludwig in Köln zeigt 26 neue Bilder von Gerhard Richter

23.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Köln (DK) Sein Å’uvre erscheint zwischen realistischen Naturdarstellungen, unscharfen Gemälden nach Fotografien und Werken höchster Abstraktion bis hin zu Glas- und Spiegelobjekten widersprüchlich und kaum einzuordnen - folgt jedoch stets einem roten Faden: Die Frage nach der Wirklichkeit und ihrer Abbildbarkeit steht seit jeher im Mittelpunkt der Arbeit von Gerhard Richter, der am 9. Februar 85 Jahre alt geworden ist und als teuerster lebender Künstler gilt.

Das größte Geschenk machte sich der Jubilar zu seinem Geburtstag selbst: Just an dem Tag eröffnete das Museum Ludwig in Köln, seiner Wahlheimat, eine Ausstellung mit dem schlichten Titel "Neue Bilder". Die 26 abstrakten Gemälde, die dort erstmals zu sehen sind, entstanden allesamt im Jahr 2016 und zeugen von einer ungebrochenen Schaffenskraft.

Aus der Entfernung ein Feuerwerk leuchtender Farben in strahlenden blauen, roten, gelben, grünen und rosa Tönen. Von Nahem löst sich dieses explosive Farbenspiel in zahlreichen Schichtungen auf und offenbart unendlich viele Details, in deren Tiefe man schier versinken mag. Diese Gemälde wirken fast schon lebendig und so intensiv, so frisch, dass sie noch den Geruch der Ölfarben zu verströmen scheinen.

Die Kompositionen entstehen bewusst willkürlich. Mit der Rakel, einer Kunststoffleiste, fährt der Künstler in horizontalen und vertikalen Bahnen über die vielen Malschichten: So entstehen offenporige Schleifspuren, die tiefer liegende Farben wieder aufleuchten lassen. Richter ist ein Meister des Zufalls. Spuren des Spachtelmessers, hier und da ein unverhoffter, vertikaler Pinselstrich als direkte malerische Geste, die eher selten ist.

Die von Gerhard Richter selbst gehängte Jubiläumsschau zeigt jedoch nicht nur seine neuen Bilder. Dazu gesellen sich wegweisende Werke der Sammlung des Museums Ludwig, die einen Überblick über fünf Jahrzehnte seines Schaffens bietet. Mit "Ema" (Akt auf einer Treppe) aus dem Jahr 1966, dem ersten Bild, das Richter nach einer eigenen Fotografie malte, und den "48 Porträts" von Geistesgrößen, die 1971/72 für den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig entstanden, besitzt das Haus zwei der bedeutendsten Arbeiten des Künstlers.

Das Ludwig Museum präsentiert alle Werke in bester Lage - auf der sogenannten Museumsstraße in der zentralen Galerie im Obergeschoss: Gleich zu Beginn spiegelt sich der Besucher im Vorübergehen in den "11 Scheiben", einer Glasarbeit von 2003, und sieht sich in verschwommenen Konturen wie durch Richters Augen - und ist plötzlich im Bild.

Wer Gerhard Richters Geburtstagsausstellung im Museum Ludwig besucht, begibt sich auf eine aufregende Reise durch ein halbes Jahrhundert Kunstgeschichte.

Die Schau ist noch bis 1. Mai in Köln zu sehen und wird dann vom 20. Mai bis 27. August 2017 im Albertinum der Staatlichen Kunstsammlung Dresden gezeigt.