Kassel
Neue Wege, neue Perspektiven

Kunst-Parcours führt auch in das Arbeiterviertel Nordstadt

09.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:58 Uhr

Kassel (DK) Ausfallstraßen und Industriebrache, aberwitzige Architekturüberbleibsel aus den 60er-Jahren, der ehemalige Schlachthof, ein Kulturzentrum in Selbstverwaltung. Der Campus der Universität und Wohnstraßen im Ziegelbau, an denen schon mal "Rendite-Objekt" steht: Hinter der Kurt-Schumacher-Straße beginnt die Nordstadt, ein eigener Kosmos, ein Arbeiterviertel mit seit den 60er- und 70er-Jahren hohem Gastarbeiter- und Migrantenanteil.

Das Gold-Paradies neben der türkischen Bäckerei, Wettbüros neben den Geldtransfer-Shops. Am Rande dann der Nordstadtpark, wo jetzt die "Living Pyramid" von Agnes Denes wächst.

Auch hierher führt der Parcours der documenta 14, eröffnet neue Perspektiven für die Besucher und bringt Kunst dorthin, wo sie ansonsten weniger stattfindet. In Abrisshallen, in die während des Zweien Weltkriegs für die Entwicklung von Militärtechnologie gebauten Henschel-Hallen (viele Performances) oder in eine ehemalige Tofu-Fabrik (verstörender Film über den Kannibalen Issei Sagawa, der in den 80er-Jahren in Paris eine Frau ermordete).

Mittendrin ein Betonklotz, die "Neue Hauptpost", die für die Dauer der documenta "Neue neue Galerie heißt. Ein idealer Ort mit eindrucksvollen Beiträgen, etwa über den NSU-Mord an dem Kassler Halit Yozgat 2006. In maroden Glaspavillons zeigt die libanesisch-niederländische Künstlerin Mounira Al Solh Porträts von Migranten. Auch das des syrischen Arztes Yaseen Mohammad. Seit 2003 in Deutschland hat er 2016 das "Syrische Kebaphaus" an der Jägerstraße eröffnet. Mithilfe von Flüchtlingen. Ein kulinarisches, erfolgreiches Integrationsprojekt. \t\t ‹Œ Katrin Fehr